Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftspflicht in Haushaltsgemeinschaft mit dem Hilfebedürftigen lebender Personen gegenüber dem Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen haben dem Sozialhilfeträger nach § 117 Abs. 1 S. 1 SGB 12 über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben.

2. Auskunftspflichtig sind nach S. 1 und 2 dieser Vorschrift auch Personen, von denen nach § 39 SGB 12 trotz Aufforderung unwiderlegt vermutet wird, dass sie Leistungen zum Lebensunterhalt an andere Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbringen.

3. Damit sind Verwandte und Verschwägerte, aber auch andere Personen unter den dort genannten Voraussetzungen in die Auskunftspflicht einbezogen, also auch dann, wenn sie zivilrechtlich nicht unterhaltspflichtig sind.

4. In die Vermutung des § 39 SGB 12 sowie in die Auskunftspflicht des § 117 Abs. 1 S. 3 SGB 12 sind zunächst eheähnliche Gemeinschaften einzubeziehen. Bezogen auf eine eheähnliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft ist hilfsweise das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft zu prüfen, wenn eine eheähnliche oder lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft i. S. des § 20 SGB 12 sich nicht feststellen lässt.

5. "Unwiderlegt" bedeutet, dass der um Leistung Nachsuchende zunächst dem Sozialhilfeträger gegenüber die Vermutung des § 39 SGB 12 entkräften muss. Gelingt ihm dies nicht, so steht unwiderlegt fest, dass er von dem in § 117 Abs. 1 S. 3 SGB 12 genannten Personenkreis überwiegend unterhalten wir.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 17.12.2012 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet: Das SG hat mit Beschluss vom 17.12.2012 zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 angeordnet. Denn die Voraussetzungen hierfür gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind nicht erfüllt.

1. Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 hatte keine aufschiebende Wirkung. Zwar haben gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung, weil bei einem Verwaltungsakt, der die Pflicht zur Auskunft gemäß § 117 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) konkretisiert, die aufschiebende Wirkung nicht gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG entfällt. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 die sofortige Vollziehung gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG rechtmäßig angeordnet.

Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das SG hat zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angeordnet.

a) Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG formell rechtmäßig angeordnet.

aa) Die Widerspruchsstelle war hierfür sachlich zuständig. Gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG kann nicht nur die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, sondern auch die Stelle, die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung anordnen.

bb) Die Antragsgegnerin (bzw. ihre Widerspruchsstelle) hat auch das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet, § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Hiermit ist ein über das allgemeine Interesse an der Vollziehung von Bescheiden hinausgehendes Interesse gemeint (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86a Rn. 20 m.w.N.). Die Antragsgegnerin (Widerspruchsstelle) hat zur Begründung ausgeführt, dass ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein möglicher Ersatzanspruch zeitnah nicht geltend gemacht werden könne, was dem öffentlichen Interesse an der sparsamen Verwendung öffentlicher Gelder widerspreche. Dies stellt eine hinreichende Begründung dar. Als ein beso...

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