Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auskunftsersuchen gegenüber Personen, die mit Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 GG. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. keine Anwendbarkeit des § 39 S 1 SGB 12

 

Orientierungssatz

Für ein Auskunftsersuchen gegenüber Personen, die mit Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, fehlt es jedenfalls im Fall von Hilfebedürftigen, die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten bzw beanspruchen, an einer - im Hinblick auf die mit einer Auskunftspflicht verbundene Beeinträchtigung des in Art 2 Abs 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts - notwendigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 06.09.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2012 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 02.03.2012, mit dem sie zur Auskunftserteilung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde, weil die Antragsgegnerin vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem von ihr gepflegten Herrn XXX ausgeht. Letzterer begehrt Leistungen nach Kapitel 4. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) von der Antragsgegnerin.

Am 18. August 2011 beantragte der 19XX geborene Herr XXX  - vertreten durch die 19XX geborene Antragstellerin - bei der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Im Hinblick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gab er an, er habe früher als Heilpraktiker gearbeitet und später das Geschäft seiner 20xx verstorbenen Ehefrau mit indianischen Kräutern übernommen und damit einen Umsatz i.H.v. € 15.000 jährlich erzielt. Der Umsatz sei immer weiter zurückgegangen und seit Juli 2011 verfüge er über kein Einkommen mehr. Seine Tätigkeit als Heilpraktiker habe er nach einem Schlaganfall im Jahre 2006 aufgegeben. Von einer angesparten Summe i.H.v. € 3.000 habe er gelebt, insbesondere die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung - zuletzt im Juli 2011 - beglichen. Aktuell erhalte er Pflegegeld in Höhe von € 430,-- monatlich. Zu den Wohnverhältnissen erklärte Herr xxx, er lebe in der Wohnung der Antragstellerin, die eine gute Bekannte sei und seiner verstorbenen Ehefrau versprochen habe, sich um ihn zu kümmern. Die Wohnung befinde sich im Haus der Tochter der Antragstellerin. Die Antragstellerin müsse ihrer Tochter keine Miete zahlen, er müsse pauschal € 400,-- an die Antragstellerin zahlen für “Miete, Nebenkosten, Heizkosten, Telefon, Strom, etc.„. Im Laufe des Verfahrens legte Herr xxx einen Formularmietvertrag zwischen ihm und der Antragstellerin vor, bei dem die Formularfelder zum Beginn des Mietverhältnisses, der Wohnfläche der Mietwohnung und den Kündigungsfristen nicht ausgefüllt waren und der zwar unterschrieben, nicht aber datiert war. Außerdem legte er die Sterbeurkunde seiner im Jahre 20xx verstorbenen Ehefrau, Kontoauszüge der Commerzbank xxx, eine Kopie der über ihn vom Medizinischen Dienst der Pflegekasse gefertigten Pflegegutachten aus September 2006 und Juli 2011, eine Bescheinigung über die monatlichen Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. € 471,53 sowie Steuerbescheide von 2007 bis 2009 und die Steuerunterlagen für 2010 vor.

Mit Schriftsatz vom 18.10.2011 teilte die Antragsgegnerin Herrn xxx mit, dass sie vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen ihm und der Antragstellerin ausgehe und forderte ihn deshalb auf, bis zum 02.11.2011 die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nachzuweisen. Falls keine Unterlagen eingereicht würden, werde nach Aktenlage entschieden. Herr xxx teilte mit Schriftsatz vom 02.11.2011 mit, dass seitens der Antragstellerin keine Bereitschaft bestehe, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen.

Mit Bescheid vom 07.11.2011 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Herrn xxx ab. Er lebe in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Antragstellerin, so dass Grundsicherungsleistungen nur gewährt werden könnten, wenn Herr xxx auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Antragstellerin nicht in der Lage sei, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Antragstellerin habe sich jedoch geweigert, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Die Antragsgegnerin gehe deshalb davon aus, dass Herr xxx seinen Grundsicherungsbedarf mit eigenem Einkommen / Vermögen bzw. dem Einkommen / Vermögen der Antragstellerin decken könne und deshalb nicht bedürftig im Sinne von § 43 SGB XII sei.

Mit Widerspruch vom 10.11.2011 bestritt Herr xxx das Best...

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