Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. stationäre Unterbringung. Heranziehung zu einem Kostenbeitrag. Einkommenseinsatz. Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Berücksichtigung des Einkommens in angemessenem Umfang. Unzumutbarkeit nach § 92 Abs 2 S 4 SGB 12

 

Orientierungssatz

Für eine umfassende Anwendung der Privilegierung des § 92 Abs 2 S 4 SGB 12 genügt es nicht, dass auch eine im Katalog aufgeführte Leistung in Anspruch genommen wird. Privilegiert werden bestimmte Maßnahmen (vgl auch BSG vom 20.4.2016 - B 8 SO 25/14 R = BSGE 121, 129 = SozR 4-3500 § 92 Nr 2, RdNr 22), nicht bestimmte Leistungsberechtigte generell.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. August 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Kostenbeitrags für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Rahmen ihrer stationären Betreuung in einer Wohneinrichtung im Zeitraum von Mai 2011 bis April 2013.

Die 1988 geborene Klägerin ist geistig (leichte Intelligenzminderung) und seelisch (emotional instabile Persönlichkeitsstörung) behindert. Infolgedessen gehört sie unstreitig zum Personenkreis der wesentlich behinderten Menschen im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und erhält seit langem vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe.

Die Klägerin lebte zunächst bei ihren Eltern in S. im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Ab August 2001 war sie in stationären Einrichtungen untergebracht, zunächst bis Ende Juli 2006 in einer stationären Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in C.. Zum August 2006 begann sie in Hamburg eine vierjährige Qualifizierungsmaßnahme zur Kita-Helferin. Von August 2006 bis April 2010 wohnte sie im Wohnhaus L. in Hamburg, einer stationären Wohnbetreuungseinrichtung .... Die Kosten hierfür übernahm der Beklagte, die Hilfeart wurde als Eingliederungshilfe in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) angegeben.

Nachdem die Klägerin ihre Ausbildung zur Kita-Helferin vorzeitig beendet hatte, begann sie zum 1. September 2008 eine berufliche Bildungsmaßnahme in den ... Werkstätten in Hamburg. Zum 1. Mai 2010 zog die Klägerin innerhalb ... um in eine andere stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe, nämlich das Wohnheim A. in Hamburg. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er übernehme die Kosten der stationären Betreuung im Wohnheim A. ab 1. Mai 2010 längstens bis zum 31. Juli 2013. Im Einzelnen würden Eingliederungshilfe in Form der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX) gewährt sowie Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 19 Abs. 1, 35 SGB XII), die neben den Betreuungskosten einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von monatlich 96,93 Euro umfasse. Der Bescheid erhielt ferner den Hinweis, dass über einen eventuell zu leistenden Kosten- bzw. Unterhaltsbeitrag ein gesonderter Bescheid ergehe. Die Einkünfte seien zur teilweisen Deckung der Betreuungskosten einzusetzen.

Mit Bescheid vom 15. April 2011 wurde der der Klägerin gewährte Barbetrag zur persönlichen Verfügung rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 auf 98,28 Euro festgesetzt.

Ab dem 4. Mai 2011 war die Klägerin im Arbeitsbereich der ... Werkstätten tätig. Die Betreuungskosten hierfür übernahm der Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2011, wobei die Hilfeart angegeben war als Eingliederungshilfe in Form von Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 41 SGB IX oder in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten gem. §§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 56 SGB IX. Aus der Tätigkeit im Arbeitsbereich der ... Werkstätten erzielte die Klägerin ein Einkommen in wechselnder Höhe, dass aus einem Grundlohn, einem Leistungslohn, einem Zuschuss für die HVV-Proficard und Arbeitsförderungsgeld bestand.

Am 12. Mai 2011 zog die Klägerin erneut innerhalb Hamburgs in eine andere stationäre Eingliederungshilfeeinrichtung ... um, und zwar in das Wohnhaus N.. Die Kosten für die dortige Unterbringung und Betreuung übernahm wiederum der Beklagte.

Im Juni 2011 verstarb der Vater der Klägerin. Die Klägerin erhielt ab dem 1. Juli 2011 eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 274,62 Euro. Die Rente wurde an den Beklagten ausgezahlt. Am 19. Oktober 2011 erließ der Beklagte einen „Leistungsbescheid über die Erhebung eines Kostenbeitrags“ für die stationäre Betreuung der Klägerin durch die ... Die Klägerin erhalte seit Juli 2011 eine laufende Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 274,62 Euro. Gemäß §§ 87 und 88 i.V.m. § 92a SGB XII sei das Einkommen in voller Höhe als Eigenleistung einzusetzen. Es werd...

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