Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Rechtsmittelbelehrung trotz fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form

 

Orientierungssatz

1. Die Rechtsmittelbelehrung eines Widerspruchsbescheides ist i. S. von § 66 Abs. 2 S. 1 SGG nicht unrichtig, wenn sie die Möglichkeit der Berufungseinlegung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht erwähnt, obwohl für das betreffende Sozialgericht die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen ist, vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2013 - B 13 R 19/12 R.

2. Allein die Einordnung der elektronischen Form als gleichrangige prozessuale Form führt nicht automatisch dazu, dass diese schon deshalb als Regelweg i. S. von § 66 Abs. 1 SGG anzusehen ist.

3. Der Gesetzgeber hat noch keine Veranlassung gesehen, die elektronische Rechtsmitteleinlegung neben der Schriftform und der mündlichen Form zur Niederschrift als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren.

4. Die Möglichkeit, Schriftsätze in gerichtlichen Verfahren als elektronisches Dokument dem Gericht zu übermitteln, hat allein durch ihre rechtliche Zulassung in § 65 a SGG noch keine solche praktische Bedeutung erlangt, dass es geboten wäre, die Beteiligten zum Schutz vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit auch auch auf diese Form notwendig hinzuweisen.

5. Dies wird unterstrichen durch die Tatsache, dass im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in sieben von sechzehn Bundesländern die elektronische Form im Sozialgerichtsprozess genutzt wird. Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Widerspruchsbescheid, die einen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht enthält, ist damit hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

SGG § 65a Abs. 1 S. 1, § 66 Abs. 1, 2 S. 1, § 64 Abs. 1, 2 S. 1, § 87 Abs. 1 S. 1, § 158 S. 1; SGB X § 37 Abs. 2 Sätze 1-2; ERV JustizV Berlin §§ 2-3

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich im Wege des Zugunstenverfahrens gegen die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. November 2009 bis zum 28. Februar 2010.

Der 1964 geborene Kläger bezieht seit dem 01. Januar 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 11. September 2009 gewährte der Beklagte dem Kläger und dessen damals mit ihm in Bedarfsgemeinschaft (BG) lebenden Ehefrau sowie dem gemeinsamen Sohn für den Zeitraum vom 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 monatlich Leistungen nach dem SGB II (für die BG monatliche Gesamtleistung i. H. v. 736,25 Euro; nur für den Kläger: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ≪SLU≫ i. H. v. 164,69 Euro zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung ≪KUH≫ i. H. v. 123,78 Euro = insgesamt 288,47 Euro monatlich). Mit Änderungsbescheiden vom 27. Oktober 2009, 16. November 2009, 26. November 2009 und 08. Dezember 2009 wurden ihm und den mit ihm in BG lebenden Personen für die den Zeitraum vom 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 Leistungen in folgender Höhe bewilligt:

Oktober 2009:

1.140,00 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 446,78 Euro

November 2009:

1.140,00 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 446,78 Euro

Dezember 2009:

980,98 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 422,33 Euro

Januar 2010:

706,88 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 320,56 Euro

Februar 2010:

706,88 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 320,56 Euro

März 2010:

803,78 Euro BG insgesamt; Kläger alleine: 320,56 Euro.

Nach Anhörung vom 19. März 2010 hob der Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2010 die Bescheide vom 11. September 2009, 27. Oktober 2009, 16. November 2009 und 08. Dezember 2009 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 01. November 2009 bis zum 28. Februar 2010 für den Kläger teilweise i. H. v. 1.877,28 Euro auf und forderte diesen Betrag zurück. Es sei während des genannten Zeitraums Einkommen aus einer Beschäftigung bei der Senatsverwaltung erzielt worden, welches unter Berücksichtigung der Freibeträge auf die Leistung anzurechnen sei. Dabei habe sich eine Überzahlung ergeben, die gemäß § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten sei.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 beantragte der Kläger u. a. die Überprüfung des Bescheides vom 22. April 2010. Der Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheides vom 22. April 2010 mit Bescheid vom 29. Dezember 2010 ab. Der Bescheid sei nicht zu beanstanden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, er bzw. alle in der BG lebenden Personen hätten immer alle vom Beklagten geforderten Unterlagen oder Angaben zeitnah angegeben. Sie seien zu jeder Zeit ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08. März 2011 zurück. Der Widerspruchsbescheid enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

“Gegen diese Entscheidung kann jeder Betroffene für ...

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