Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Vergütungsanspruch einer Notfallambulanz nach § 76 Abs 1 S 2 SGB V nicht ausgeschlossen, wenn anschließend eine stationäre Aufnahme in einem anderen Krankenhaus erfolgt. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 6 KA 6/18 R

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Vergütungsanspruch einer Notfallambulanz nach § 76 Abs 1 S 2 SGB V ist jedenfalls nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn anschließend eine Aufnahme zur stationären Behandlung in einem anderen Krankenhaus erfolgt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen B 6 KA 6/18 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2017 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Änderung des Honorarbescheides vom 26. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2014 sowie des Bescheides vom 14. Juli 2016 verpflichtet, über das Honorar der Klägerin für das IV. Quartal 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von Leistungen der in ihrem Krankenhaus betriebenen Notfallambulanz im Quartal 2011/IV.

Die Klägerin betreibt die S Klinik L. Dieser war im streitgegenständlichen Zeitraum eine Notfallambulanz angegliedert. Die Beklagte führt diese unter der Arztnummer (BSNR-Nr.) 807410800 in der Arztgruppe “Notfalldienst„.

Die Notfallambulanz rechnete im Quartal 2011/IV unter anderem 20 ambulante Notfallbehandlungen von Patienten ab, die bei den beigeladenen Krankenkassen versichert waren bzw. sind. In allen Fällen erfolgte an die Bemühungen der Rettungsstelle anschließend eine stationäre Behandlung in anderen Krankenhäusern. Auf die von der Klägerin hierzu eingereichten Kopien der Behandlungsberichte (Patientenakten) wird ergänzend verwiesen.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 26. April 2012 das Honorar für das Quartal 2011/IV auf 47.939,52 Euro fest. Bestandteil des Bescheids war eine Liste P 123 “sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 45 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 EKV„. Darin nahm die Beklagte unter anderem in diesen 20 Fällen unter Angabe des Begründungskürzel “MF 9001 20„ Abzüge vor. Zu diesem Kürzel heißt es im Bescheid:

“Eine Vergütung von ambulant durchgeführten Notfallbehandlungen für oder in Rettungsstellen, in Krankenhäusern oder DRK ist nur dann gegeben, wenn sich der Patient anschließend nicht in stationärer Behandlung begeben muss. Erfolgt eine stationäre Aufnahme in das gleiche oder ein anderes Krankenhaus, so sind alle Behandlungen mit dem Pflegesatz abgegolten, ggf. sind diese dem aufnehmenden Krankenhaus in Rechnung zu stellen.„

Die Klägerin erhob hiergegen am 29. Mai 2012 Widerspruch.

Die Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2014 zurück (Zustellung: 4. Oktober 2014). In den 20 Fällen sei jeweils die Symbolnummer SNR 99200 (“Kennzeichnung von Behandlungsfällen <BHF> in Rettungsstellen, bei denen eine stationäre Verlegung in ein anderes Krankenhaus erfolgt„) zum Ansatz gebracht worden. Zur Begründung führte sie aus, Rechtsgrundlage für die vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung seien §§ 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Ersatzkassenvertrag (EKV). Die 20 Behandlungsfälle seien zu Recht ausgeschlossen worden, da insoweit § 76 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht einschlägig gewesen sei.

Es komme darauf an, wie die Leistungen der ambulanten Versorgung von denen der stationären abzugrenzen seien. Die Beklagte folge insoweit dem hiesigen Senat in dessen Entscheidung vom 12. März 2010 (L 24 KA 1017/05), wonach maßgeblich sei, ob sich an eine Notfallbehandlung in einem Krankenhaus eine stationäre Behandlung anschließe. Immer dann, wenn auf eine Notfallbehandlung eine stationäre Aufnahme erfolge, liege einheitlich eine stationäre Behandlung vor. Es mache keinen Unterschied, ob die weiterführende Behandlung im selben oder in einem anderen Krankenhaus stattfinde. Dadurch wechsle zwar in der Regel der Leistungserbringer, auf den Charakter der Behandlung als ambulante oder stationäre habe dies aber keine Auswirkungen.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. Oktober 2014 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten gehe die geleistete ambulante Notfallbehandlung nicht in der darauffolgenden stationären Behandlung auf. Der niedergelassene Vertragsarzt erhalte auch dann eine Vergütung für seine Notfallbehandlung, wenn sich hieran eine stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten anschließe. Es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die Rechtsauffassung der Beklagten.

Der hiesige Senat habe in seinem Urteil vom 12. März 2010 verkannt, dass das BSG im Urteil vom 4. März 2004 (B 3 KR 4/03) nicht darauf abgestellt habe, ob der Patient die Nacht vor und nach dem Eingriff in irgendeinem Krankenhaus verbracht habe, sondern in ...

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