Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug des Grundsicherungsberechtigten

 

Orientierungssatz

1. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, so wird nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB 2 nur der bisherige Bedarf anerkannt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Umzugs. Die Gesamtmiete der alten und der neuen Wohnung zu diesem Zeitpunkt sind dabei zu vergleichen.

2. Der zulässigen Deckelung des anzunehmenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung auf die Höhe des bisherigen Bedarfs steht nicht entgegen, dass für den örtlichen Vergleichsraum keine rechtmäßig ermittelten abstrakten Angemessenheitsgrenzen bestehen. Bei fehlendem schlüssigen Konzept des Grundsicherungsträgers können die abstrakten kommunalen Angemessenheitsgrenzen vom Gericht ermittelt werden.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2011 geändert.

Der Bescheid vom 17. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2011, die Bescheide vom 25. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 und der Änderungsbescheide vom 10. Januar 2012 sowie der Änderungsbescheid vom 30. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2012 werden geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 2011 unter Ansatz eines Mehrbedarfs für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 8,00 € sowie unter Ansatz von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 303,32 € höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Juli 2011.

Die 1973 geborene Klägerin, die seit Januar 2005 ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, wohnte bis zum 30. November 2008 in einer Wohnung in der Estraße in Berlin (1 Zimmer, 37,89 m2, zuletzt 200,00 EUR Kaltmiete, 57,00 EUR Vorauszahlung Betriebskosten, 63,00 EUR Abschlag für eine Gasetagenheizung). Eine im Sommer 2009 für das Kalenderjahr 2008 erstellte Betriebskostenabrechnung ergab ein Guthaben in Höhe von (iHv) 65,57 EUR. Im Dezember 2008 wohnte die Klägerin vorübergehend zur Untermiete in einem Zimmer in der Straße. Zum 1. Januar 2009 schloss sie einen Mietvertrag über die im Rubrum bezeichnete Wohnung (1 Zimmer, ca. 29,20 m2, Kaltmiete 260,00 EUR, Vorauszahlungen kalte Betriebskosten 40,00 EUR und Wärme 30,00 EUR). Die Wohnung verfügt über eine dezentrale Warmwasseraufbereitung (elektrischer Durchlauferhitzer).

Wegen des nicht als erforderlich anerkannten Umzuges, den die Klägerin mit wachsendem Lärmpegel begründet hatte, berücksichtigte der Beklagte ab Januar 2009 eine Miete iHv 285,42 EUR, die sich aus der alten Bruttokaltmiete (257,00 EUR) und - wegen der Gasetagenheizung - aus geschätzten Heizkosten iHv 28,42 EUR (37,89 m2 x 0,75 EUR/m²) zusammensetzte.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Juli 2010 für den Zeitraum vom 1. August 2010 bis 31. Januar 2011 sowie mit Bescheid vom 17. Januar 2011 für den Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 Leistungen nach dem SGB II iHv monatlich 220,41 EUR für die Kosten für Unterkunft und Heizung (das anrechenbare Einkommen der Klägerin lag über dem Regelbedarf). Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. Januar 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2011 als unbegründet zurück. Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen, so dass gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II Kosten der Unterkunft und Heizung nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen zu berücksichtigen seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 9. Mai 2011 bei dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben, welche zum Aktenzeichen (Az.) S 169 AS 12562/11 registriert wurde.

Mit zwei Änderungsbescheiden vom 25. März 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin aufgrund der rückwirkenden Neufestsetzung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. bis 31. Januar 2011 sowie vom 1. Februar bis 31. Juli 2011 iHv jeweils monatlich 225,41 EUR für die Kosten für Unterkunft und Heizung. Den gegen beide Bescheide am 2. Mai 2011 erhobenen Widerspruch der Klägerin verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 als unzulässig. Ausweislich der ausdrücklichen Hinweise in den Bescheiden erfolge lediglich eine Änderung der Regelleistung, nicht jedoch eine Entscheidung zur Höhe der berücksichtigten Kosten für Unterkunft und Heizung. Da sich der Widerspruch ausdrücklich nur gegen die Höhe der Kosten der Unterkunft richte, sei dieser im Ergebnis als unzulässig zu verwerfen. Auch würden die Bescheide n...

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