Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Dreipersonenhaushalt in Berlin. Kostensenkungsaufforderung. Zumutbarkeit des Umzugs im Stadtgebiet. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. Ermittlung der Angemessenheitsgrenze durch das Gericht anhand eines qualifizierten Mietspiegels

 

Orientierungssatz

1. Der Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels durch Umzug im Bereich des gesamten Stadtgebiets Berlins im Sinne des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 kann die Notwendigkeit der Betreuung der Eltern bzw Schwiegereltern nicht erfolgreich entgegen gehalten werden, wenn keine Pflegebedürftigkeit der Eltern anerkannt ist und es sich um eine in der Gesellschaft übliche Unterstützung betagter Eltern durch ihre erwachsenen Kinder handelt.

2. Zur gerichtlichen Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 anhand eines qualifizierten Mietspiegels.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.09.2020; Aktenzeichen B 14 AS 37/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. September 2011.

Der 1970 geborene erwerbsfähige Kläger zu 1 ist der Lebenspartner der 1972 geborenen erwerbsfähigen Klägerin zu 2, welche die Mutter des 1995 geborenen erwerbsfähigen Klägers zu 3 ist. Die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger bezogen (seit mindestens 2008) laufend (ergänzende) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und wohnten unter der im Rubrum angegebenen Anschrift in einer 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 82,34 m2. Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 informierte der Beklagte die Kläger über die als angemessen erachteten KdUH und seine Absicht, ab 1. Februar 2011 nur noch den Richtwert für einen 3-Personenhaushalt von 542,00 EUR als monatliche KdUH zu berücksichtigen.

Die Miete der Kläger betrug ab 1. Januar 2011 monatlich 724,47 EUR (456,65 EUR Grundmiete, 184,03 EUR Betriebskosten, 83,79 EUR Heizung/Warmwasser, Gesamtheizfläche 6.794,85 m2, zentrale Bereitstellung von Heizung und Warmwasser).

Die Klägerin zu 2 bezog im streitgegenständlichen Zeitraum laufend eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von (iHv) monatlich 282,17 EUR bis 30. Juni 2011 und 284,96 EUR ab 1. Juli 2011, für den Kläger zu 3 Kindergeld iHv monatlich 184,00 EUR sowie aus einer seit 2007 ausgeübten Beschäftigung bei der O & G ein monatlich gleichbleibendes Entgelt iHv 450,00 EUR brutto bzw. 392,42 EUR netto.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 10. März 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 15. März 2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 iHv monatlich 786,41 EUR unter Berücksichtigung von KdUH iHv 542,00 EUR monatlich (nach Kopfteilen auf die Kläger verteilt). Für die Leistungen für KdUH kamen - nach Einkommensanrechnung - monatlich 534,13 EUR zur Auszahlung (180,66 EUR Kläger zu 1, 180,67 EUR Klägerin zu 2, 172,80 EUR Kläger zu 3). Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 setzte der Beklagte die Erhöhung der Regelbedarfe um und bewilligte für den vorgenannten Zeitraum monatlich 796,41 EUR. Für die Leistungen für KdUH kamen monatlich 534,98 EUR (180,66+180,67+173,65 EUR) zur Auszahlung.

Der Kläger zu 3 nahm zum 1. Juli 2011 bei der staatlich anerkannten Lehranstalt für P in B eine Ausbildung auf.

Mit Änderungsbescheid vom 8. August 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. Juni 2011 in ursprünglicher Höhe (796,41 EUR) sowie für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. September 2011 nur noch den Klägern zu 1 und 2 iHv monatlich 512,74 EUR. Als Leistungen für KdUH kamen in dem Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis 30. September 2011 monatlich 361,33 EUR (180,66+180,67 EUR) zur Auszahlung. Der Kläger zu 3 sei ab 1. Juli 2011 aufgrund eines Anspruchs nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Bescheid vom 26. März 2011 werde aufgrund der eingetretenen Änderung vom 1. bis 31. Juli 2017 sowie vom 1. bis 31. August 2011 jeweils iHv 283,67 EUR teilweise aufgehoben. Es werde geprüft, inwieweit diese Leistungen zurückzuzahlen seien. Hierüber ergehe ein gesonderter Bescheid.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin bewilligte dem Kläger zu 3 mit Bescheid vom 19. August 2011 eine Förderung nach dem BAFöG ab Juli 2011 bis Juni 2012 iHv monatlich 216,00 EUR. Für Juli und August 2012 wurde eine Nachzahlung ausgewiesen.

Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 22. August 2011 die Überprüfung des Bescheides vom 26. März 2011 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung, dass sie mit den anerkannten KdUH iHv 542,00 EUR nicht einverstanden seie...

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