Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Höhe einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. zwischenstaatliche Rente. Berücksichtigung von verdrängten Versicherungszeiten bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob die nach innerstaatlichem Rentenversicherungsrecht vorzunehmende begrenzte Gesamtleistungsbewertung nach § 74 S 1 bis 3 SGB 6 unter der Anwendung koordinierender Verdrängungsregelungen innerhalb der innerstaatlichen und der zwischenstaatlichen Vergleichsrente identisch durchzuführen ist oder ob nach Anwendung der koordinierenden Verdrängungsregelungen die Rentenberechnung nach § 74 S 3 SGB 6 auf nicht verdrängte Versicherungszeiten verschoben werden muss.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine höhere Regelaltersrente. Umstritten dabei ist, ob die begrenzte Gesamtleistungsbewertung nach § 74 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫ sich zu ihren Gunsten ändert, wenn aufgrund europäischen Kollisionsrechts die in der innerstaatlichen Rentenberechnung zugrunde gelegte beitragsfreie Zeit der Fachschulausbildung in der zwischenstaatlichen Berechnung der Rente als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt wird (hier: schwedische Wohnsitzzeit).

Die 1946 in Polen geborene Klägerin ist mittlerweile schwedische Staatsbürgerin. Von 1958 bis 1969 lebte sie in Deutschland, danach zog sie nach Schweden und lebt seit 1975 in Norwegen.

Auf ihre Anträge vom 17. Januar 1995 und vom 6. November 2007 klärte die Beklagte ihr Versicherungskonto und merkte bei der Klägerin die Zeit vom 1. April 1962 bis zum 31. März 1965 (zusammen 36 Kalendermonate) mit innerstaatlichen Pflichtbeitragszeiten als berufliche Ausbildungszeit und danach die Zeit bis zum 15. Juni 1969 durchgehend als weitere innerstaatliche Pflichtbeitragszeit (51 Kalendermonate) vor. Zudem merkte sie die von der Klägerin in Schweden zurückgelegten Zeiten vom 22. September bis zum 19. Dezember 1969 (4 Kalendermonate Schulausbildung) und vom 1. Juli 1971 bis zum 9. Juni 1974 (36 Kalendermonate) als beitragsfreie Zeit der Fachschulausbildung vor.

Auf den in ihrem Wohnsitzland Norwegen gestellten Rentenantrag der Klägerin vom 24. Januar 2012 berechnete die Beklagte unter dem 14. Juni 2012 erstmals die Regelaltersrente der Klägerin vorläufig nach innerstaatlichem Recht mit einem monatlichen Zahlbetrag von 123,34 € auf der Grundlage von 4,3939 persönlicher Entgeltpunkten ≪EP≫ rückwirkend zum 1. Januar 2012. Im Rahmen der begrenzten Gesamtleistungsbewertung (§ 74 SGB VI) wies sie dabei zu Gunsten der Klägerin 0,3312 EP für die nach Satz 3 dieser Vorschrift vorrangig zu bewertende Zeit der Fachschulausbildung vom 1. Juli 1971 bis zum 9. Juni 1974 zu.

Mit Bescheid vom 19. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2013 berechnete die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich gemeldeten zwischenstaatlichen Rentenzeiten („zwischenstaatliche Rente“) neu. Die nach innerstaatlichem Recht berechnete Rente führe im Vergleich zu der zwischenstaatlich ermittelten Rente zu einem um 9,10 € höheren monatlichen Zahlbetrag. Da nach dem Koordinierungsrecht die höhere Rente geleistet werde, verbleibe es bei der bereits festgestellten Rentenhöhe. Dabei bezog sie sich auf die europäische Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EWG) Nr. 1408/17 in Verbindung mit VO (EWG) Nr. 574/72) und gelangte bei der Berechnung der zwischenstaatlichen Rente zu dem Ergebnis, die innerstaatlich berücksichtigte Zeit der Fachschulausbildung in S werde bei der zwischenstaatlichen Rente durch die zeitgleich in Schweden anerkannte Wohnsitzzeit verdrängt. Dies habe zur Folge, dass die auf diese Zeit beruhende begrenzte Gesamtleistungsbewertung bei der Berechnung der zwischenstaatlichen Rente zu Gunsten der Klägerin nicht (mehr) zur Verfügung stehe.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 28. Juni 2013 vor dem Sozialgericht ≪SG≫ Berlin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die zwischenstaatliche Rente müsse rentenrechtlich höher ausfallen; die Rentenberechnung der Beklagten verstoße gegen § 74 SGB VI. Es sei nicht zulässig, wie von der Beklagten vorgenommen, bei der zwischenstaatlichen Berechnung der Rente einmal die Anrechnungszeit der Fachschulausbildung aufgrund der Wohnsitzzeit in Schweden als verdrängt anzusehen, diese faktisch aber bei der begrenzten Gesamtleistungswertung wieder zu berücksichtigen, indem keine Höherbewertung nicht verdrängter beitragsgeminderter Zeit erfolge. Wenn ihre Fachschulausbildung in Schweden bei der zwischenstaatlichen Rente als Wohnsitzzeit gewertet werde, stehe die Zeit ihrer früheren beruflichen Ausbildung in Deutschland (erstmals) wieder zur Verfügung und sei nach § 74 SGB VI zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

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