Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versagung einer Satzungsgenehmigung. Verwaltungsaktseigenschaft eines Schreibens der Aufsichtsbehörde. keine Leistungsausweitung der Leistungen zur künstlichen Befruchtung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines Schreibens als Verwaltungsakt.

2. § 11 Abs 6 SGB 5 erlaubt keine Leistungsausweitung der Leistungen zur künstlichen Befruchtung (§ 27a SGB 5) auf Nichtverheiratete.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.11.2014; Aktenzeichen B 1 A 1/14 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, vertreten durch das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde, die Genehmigung einer Satzungsänderung zur Ermöglichung einer Kostenübernahme für Kosten der künstlichen Befruchtung nicht nur für Eheleute, sondern auch für Paare in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft.

Die Klägerin ist eine bundesweit geöffnete Betriebskrankenkasse und hat über 400.000 Versicherte. Sie hat ihren satzungsmäßigen Sitz in B.

Am 19. April 2012 beschloss der Verwaltungsrat der Klägerin vier Nachträge zur Satzung, u. a. den 7. Nachtrag - § 13 Leistungen IX. Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung

§ 13 Abs. 9 soll danach wie folgt lauten:

Kostenübernahme künstliche Befruchtung

1. Zusätzlich zu dem Zuschuss nach § 27a (3) erhalten bei der BKK VBU versicherte Ehegatten weitere 25 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen.

2. Zusätzlich übernimmt die BKK VBU 75 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen

a. Bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft

b. Ab dem 20. Lebensjahr

Wenn beide Partner/Ehegatten bei der BKK VBU versichert sind.

Die Kostenerstattung kann nur auf der Basis einer spezifizierten Rechnung eines zugelassenen oder nach § 13 Abs. 4 SGB berechtigten Leistungserbringers erfolgen.

Der Satzungsnachtrag sollte vorbehaltlich der Genehmigung am 1. Mai 2012 in Kraft treten.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2012 genehmigte die Beklagte den 7. Nachtrag zur Satzung vom 1. Januar 2012 eingeschränkt.

Es bestünden hinsichtlich der Genehmigung von § 13 Abs. 9 Nr. 2a (Kostenübernahme künstlicher Befruchtung bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft) Bedenken. Aufgrund der laufenden Kommunikation mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) könne eine Genehmigung wegen des nicht vorliegenden Prüfungsergebnisses zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Beigefügt war folgende Genehmigung selbst:

“Der vom Verwaltungsrat am 19. April 2012 beschlossene 7. Nachtrag zur Satzung wird mit Ausnahme von Artikel I § 13 Abs. 9 Nr. 2a. (Kostenübernahme künstliche Befruchtung bei versicherten Paaren in auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaft) und insoweit Art. II (in Krafttreten) gemäß § 195 Abs. 1 Sozialgesetzbuches V i. V. m. § 90 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches IV genehmigt.„

Der Bescheid erhielt eine Rechtsbehelfsbelehrung (Klage innerhalb eines Monats beim hiesigen Gericht).

Mit am 20. September 2012 bei der Klägerin eingegangenen Schreiben vom 17. September 2012 teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf ihren Bescheid vom 18. Juni 2012 mit, dass es bei der seinerzeitigen Versagung der Satzungsgenehmigung verbleibe. Mittlerweile liege eine Stellungnahme des BMG vom 1. August 2012 vor. Darin werde daraufhin gewiesen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Regelung des § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) davon ausgehe, dass die Ehe den Belangen des Kindeswohls Rechnung trage und diese typisierende Wertung des Gesetzgebers allenfalls mittelbaren Bezug zum Leistungsumfang habe. Nur der Gesetzgeber selbst könne nach Auffassung des BMG von dem Kriterium der Ehe abrücken. Es werde in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. Februar 2007 (1 BvL 5/03) verwiesen, wonach es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass § 28a Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistungen medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränke, die miteinander verheiratet seien.

Die Klägerin hat am 17. Oktober 2012 Klage erhoben.

Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, die beschlossene Satzungsänderung sei nach § 11 Abs. 6 SGB V zulässig und daher zu genehmigen. Nach dieser Vorschrift könnten die Krankenkassen in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität u.a. im Bereich der künstlichen Befruchtung (§ 27a SGB V) vorsehen. Die von ihr beschlossenen Leistungserweiterungen bei der künstlichen Befruchtung seien von der Beklagten auch teilweise genehmigt worden. Es hätte aber auch die Erweiterung auf nicht verheiratete Paare genehmigt werden müssen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Krankenkasse aufgrund § 11 Abs. 6 SGB V einen weiten Gestaltungsspielraum (Bezugnahme auf BT-Drucksache 17/6906...

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