Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Befugnis des Rentenversicherungsträgers zum Erlass "abgeleiteter" Verwaltungsakte gegenüber drittbetroffenen Arbeitnehmern auf der Grundlage eines Betriebsprüfungsverfahrens. Notwendigkeit der Hinzuziehung von drittbetroffenen Arbeitnehmern als Verfahrensbeteiligte

 

Orientierungssatz

Die Ermächtigung zum Erlass "abgeleiteter" Verwaltungsakte gegenüber den drittbetroffenen Arbeitnehmern folgt aus der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten (gegenüber den Arbeitgebern) nach § 28p Abs 1 S 5 SGB 4 idF vom 30.6.1995, die in die Rechtssphäre der Arbeitnehmer rechtsgestaltend iS des § 12 Abs 2 S 2 SGB 10 eingreifen (vgl BSG vom 22.6.1983 - 12 RK 73/82 = BSGE 55, 160 = SozR 1300 § 12 Nr 1).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. August 2002 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der beklagte Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung dem Kläger als Arbeitnehmer gegenüber bescheidmäßig feststellen durfte, dass für ihn zu Unrecht Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet worden seien.

Der 1946 geborene Kläger war nach dem vorliegenden Arbeitsvertrag seit 1992 bei der Z und K GbR - ... - Zierfisch und Wasserpflanzengroßhandel bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden und einem monatlichen Arbeitsentgelt von 610,00 DM als Buchhalter beschäftigt. Der Betrieb wurde nach dem Tod des Mitgesellschafters Z von dem Beigeladenen zu 5, J K, allein weitergeführt. In den letzten Jahren beschäftigte der Betrieb insgesamt noch 6 Arbeitnehmer. Zu ihnen gehörte auch der Sohn des Beigeladenen zu 5, der Zeuge M K, mit dem laut Arbeitsvertrag als Leiter der Fischaufzucht wie mit dem Kläger bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden ein Monatsgehalt von 610,00 DM vereinbart war. Die anderen Beschäftigten erhielten ein weitaus höheres Arbeitsentgelt.

Bei einer von der Beklagten 1999 durchgeführten Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 bestätigten der Kläger und der Zeuge K - jeweils gemeinsam mit dem Beigeladenen zu 5 - in schriftlichen Erklärungen die vertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen als zutreffend. Die Beklagte ermittelte, dass der Kläger im Branchenfernsprechbuch als Anlageberater aufgeführt war. Nach Auskunft des Finanzamts erzielte der Kläger aus selbstständiger Tätigkeit im Prüfzeitraum folgende Gewinne: 1995 - 25.763,13 DM, 1996 - 11.680,00 DM, 1997 - 6.644,40 DM und 1998 - 29.621,54 DM.

Durch Prüfbescheid vom 15. Dezember 1999 stellte die Beklagte dem Beigeladenen zu 5 gegenüber für den Zeugen K ab 1. Januar 1995 Versicherungsfreiheit zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie ab 1. April 1997 zur Arbeitslosenversicherung fest und für den Kläger, dass er ab 1. Januar 1995 keiner Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliege. Letzteres gelte, weil der Kläger hauptberuflich einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her übersteige die selbstständige Tätigkeit die übrige Erwerbstätigkeit deutlich und stelle den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit dar. Entsprechende, ihr jeweiliges Beschäftigungsverhältnis betreffende Bescheide erhielten der Zeuge K und der Kläger, dieser ebenfalls mit Datum vom 15. Dezember 1999. Alle drei Bescheide wurden vom jeweiligen Adressaten mit dem Widerspruch angefochten.

Der Kläger bestritt mit seinem Widerspruch eine selbstständige Tätigkeit im Prüfzeitraum. Dem entgegen war er nach einer weiteren vom Finanzamt eingeholten Auskunft in jenem Zeitraum als Versicherungsvermittler und Buchhalter selbständig tätig. Dabei wurde für die Jahre 1995 bis 1997 die bereits in der früheren Auskunft angegebene Höhe der Einkünfte (= Gewinn) im Wesentlichen bestätigt. Für das Jahr 1998 ergaben sich Einkünfte von über 40.000,00 DM, mit dem Hinweis, dass die Prüfung insoweit noch nicht abgeschlossen und noch eine Korrektur nach oben möglich sei.

Durch Widerspruchsbescheide vom 27. Dezember 2000 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Im den Kläger betreffenden Widerspruchsbescheid verwies sie auf ihre weiteren Ermittlungen beim Finanzamt. Die Höhe der Einkünfte aus den selbstständigen Tätigkeiten habe die erzielten Arbeitsentgelte regelmäßig überstiegen.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin wurden die Akten des Arbeitsgerichts Berlin betreffend Lohnansprüche des Klägers gegen den Beigeladenen zu 5 - 30 Ca 15891/01 - beigezogen. Das Arbeitsgericht ging in seinem Urteil vom 31. Oktober 2001 davon aus, dass der Kläger für den Beigeladenen zu 5 - entgegen dem Wortlaut des Arbeitsvertrages - 16 Stunden im Monat, nicht in der Woche gearbeitet habe. Der vom SG vernommene Zeuge K sagte aus, er selbst habe im Betrieb seines Vaters (des Beigeladenen zu 5) "werktäglich" 2 Stunden gearbeitet, und zwar vormittags. In dieser Zeit habe er den Kläger selten ge...

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