Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Bescheid. Statthaftigkeit trotz Nichterreichen des Beschwerdewertes in der Hauptsache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist nicht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 127 Abs 2 Satz 2 ZPO ist nicht möglich.

 

Tenor

Auf ihre Beschwerde wird der Klägerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 2008 für das erstinstanzliche Verfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin AD gewährt. Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. April 2008 ist nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, obwohl in der Hauptsache der Beschwerdewert der Berufung mit einem Betrag von nur 150 € nicht erreicht wäre. Der Senat hat bereits geklärt, dass im PKH -Verfahren unabhängig von dem Beschwerdewert in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. Juni 2008 - L 28 B 919/08 AS ER und L 28 B 1059/08 AS PKH - in juris veröffentlicht). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2007 - L 25 B 109/07 AS PKH - und neuerdings Beschluss vom 13. Mai 2009 - L 34 B 2136/08 AS PKH - in juris veröffentlicht) vermag sich der Senat gerade nach umfangreicher Änderung des § 172 SGG zum 1. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses hierzu nicht anzuschließen (vgl. im Einzelnen unter Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Mai 2008 - L 6 B 48/08 AS; zitiert nach juris Rn. 6 ff.). § 172 Abs. 3 SGG enthält eine klare und eigenständige Regelung dazu, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist - einschließlich besonderer Regelungen zum Beschwerdewert. Anders als bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist daher zur Überzeugung des Senats nicht möglich.

Die Beschwerde ist auch begründet. Als Bezieherin von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ist die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig und bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance". Prozesskostenhilfe darf daher nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Sache fern liegend ist (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - zitiert nach juris, Rn. 26). Letzteres aber ist hier entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin nicht der Fall.

Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, in welchen Fällen Kosten für Schönheitsreparaturen auch dann (ggfs. im Wege eines Darlehens) von den Grundsicherungsträgern zu erstatten sind, wenn eine entsprechende Mietvertragsklausel zur Übernahme dieser Kosten nach zivilrechtlichen Maßstäben möglicherweise nichtig ist. Das Bundessozialgericht hat nur entschieden, dass Schönheitsreparaturen jedenfalls bei der Einzugsrenovierung grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II gehören und nicht über die Instandhaltungspauschale in der Regelleistung “abgegolten„ sind (BSG, Urteil vom 16 Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R - zitiert nach juris, Rn. 18). Welche Maßstäbe für Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis anzuwenden sind und in welchem Umfang zivilrechtliche Vorfragen Auswirkungen auf die Kostentragung eines Grundsicherungsträgers dem Grunde nach haben können, ist hingegen ungeklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2208858

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