Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Erforderlichkeit des Umzugs. Vorliegen eines gesundheitlichen Grundes

 

Orientierungssatz

1. Eine Übernahme der Unterkunftskosten gem § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aF ist auf die Höhe der vor dem Umzug zu übernehmenden Aufwendungen begrenzt, wenn der Umzug nicht erforderlich ist. Eine Definition, wann ein Umzug "erforderlich" ist, enthält das Gesetz zwar nicht, aber derselbe Begriff wird in § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 im Rahmen der Regelung der Zusicherung verwandt, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber in beiden Fällen von den gleichen Grundsätzen ausgeht. Maßgeblich ist danach, ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen. Dafür sprechen die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs (Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen).

2. Ein Umzug ist aus gesundheitlichen Gründen nicht erforderlich, wenn zur Vermeidung von Rückenschmerzen durch das Tragen eines Kleinkindes ein Hilfsmittel zumutbar ist, wie etwa ein rückengerechtes Tragetuch.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.11.2011; Aktenzeichen B 14 AS 107/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2007 allein wegen höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU, zusätzlich 262 € monatlich).

Die am ... 1975 geborene Klägerin Ziff. 1 bewohnte nach der Trennung und dem Auszug ihres Lebensgefährten mit ihrer am ...2005 geborenen Tochter, der Klägerin Ziff. 2, weiterhin die Zweizimmer-Dachgeschosswohnung mit 45 m² in der C K-Str. in F. Hierfür betrug die Kaltmiete 301 € zuzüglich 89 € Betriebskosten (inklusive Heizung und Warmwasserkosten) sowie 11 € für den Kabelanschluss somit insgesamt 401 €. Am 1.1.2007 zogen die Klägerinnen - ohne vorher eine Zustimmung der Beklagten eingeholt zu haben - in die R-allee in F in eine Zwei-Zimmerwohnung mit 54 m² im dritten Obergeschoss um; nach ihren Angaben ist in dem Haus ein Aufzug vorhanden. Hierfür beträgt die Kaltmiete 515 €, Kosten für einen Tiefgaragenstellplatz 44 €, Nebenkostenvorauszahlung für Heizungs- und Warmwasserkosten 30 €, sonstige Neben- und Betriebskosten 68 €, Kosten für Gemeinschaftsantenne 6 €, somit insgesamt 663 €.

Die Klägerinnen, die seit 1.9.2005 im Leistungsbezug der Beklagten stehen, erhielten zuletzt mit Bescheid vom 5.7.2006, geändert durch Bescheid vom 7.8.2006 (Blatt 110 VA) und erneut geändert durch Bescheid vom 17.8.2006 (Blatt 113 VA) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.8.2006 bis 31.1.2007 in Höhe von 949,73 € bzw. 825,80 €. Hierbei waren für die KdU 381,73 € berücksichtigt (Kaltmiete 301 €, Mietnebenkosten ≪ohne Heizung/Warmwasser≫ 44,68 €, tatsächliche monatliche Heizkosten 34 €, abzüglich Warmwasser und gegebenenfalls Haushaltsenergie 8,90 €, Müllgebühr 10,95 €; Blatt 112 VA). Die Klägerin Ziff. 1 legte der Beklagten zunächst einen Mietvertrag zum 1.11.2006 über eine Zweizimmerwohnung in der B-von S-Str. in F mit einer Kaltmiete von 450 €, 125 € Nebenkosten und 30 € für einen Tiefgaragenstellplatz, somit 605 € vor. Mit Änderungsbescheid vom 6.10.2006 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1.11.2006 bis 31.1.2007 jedoch nur Leistungen in der bisherigen Höhe weiter und berücksichtigte höhere KdU nicht, weil ein Umzug nicht erforderlich sei und dementsprechend eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nicht zu erfolgen habe. Der Umzug kam jedoch nicht zu Stande, da der Mietgegenstand nicht mehr vermietet werden konnte.

Die Klägerin Ziff. 1 schloss am 20. 11.2006 den Mietvertrag für die oben genannte Wohnung in der R-allee und zog mit ihrer Tochter zum 1.1.2007 dorthin um. Der Beklagten teilte sie den Umzug bei der persönlichen Vorsprache am 11.1.2007 (Blatt 10 SG Akte) mit. Mit Änderungsbescheid vom 17.1.2007 bewilligte diese Alg II und Sozialgeld für Januar 2007 nur in Höhe von weiterhin 949,73 € und führte zur Begründung aus, dass die KdU weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht werden, da der Umzug in die R-allee und eine Zustimmung hierzu nicht erforderlich gewesen sei. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG Az. S 7 AS 4951/07) und Berufung dagegen waren erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.8.2007, Gerichtsbescheid vom 5.2.2008, Rücknahme der unzulässigen Berufung L 2 AS 1220/08 am 5.2.2009).

Auf den Fortzahlungsantrag vom 25.1.2007 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 20.2.2007 (Änderungsbescheid vom 13.2.2007, Herabsetzung der Leistungen wegen Berücksichtigung eines Unterhaltsvorschusses fü...

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