Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2102. arbeitstechnische Voraussetzung. Mindest-Expositionszeit. geeignete Belastungsdosis: überdurchschnittliche Meniskusbelastung. unzulässiger Vergleich: Zeitdauer des Spiel- und Trainingsbetriebs eines Profisportlers mit achtstündiger Arbeitsschicht eines Arbeitsnehmers. Profihandballspieler. Innenmeniskusschaden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weder der Verordnungstext der BK Nr 2102 noch das zugehörige Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr 2102 setzen den Nachweis einer bestimmten Mindest-Expositionszeit voraus. Soweit die Berufsgenossenschaft eine Mindest-Expositionszeit von 3200 Stunden ansetzt, entbehrt dies sowohl einer gesetzlichen als auch einer wissenschaftlichen Grundlage.

2. Eine geeignete Belastungsdosis liegt dann vor, wenn das Erscheinungsbild der Tätigkeit durch überdurchschnittliche Meniskusbelastungen geprägt ist, wobei keine prozentuale Mindestbelastung zu fordern ist (Anschluss an LSG Essen vom 11.9.2018 - L 15 U 292/16, juris).

3. Es ist daher nicht zulässig, die Zeitdauer des Spiel- und Trainingsbetriebs eines Profisportlers mit der achtstündigen Arbeitsschicht sonstiger Arbeitsnehmer in Relation zu setzen (Anschluss an Hessisches LSG Darmstadt vom 30.9.2013 - L 9 U 214/09 = UV-Recht Aktuell 2013, 1147).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.10.2021; Aktenzeichen B 2 U 63/21 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.04.2019 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2017 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Innenmeniskusschaden im rechten Kniegelenk des Klägers eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2102 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung ist.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der im Jahr 1980 geborene Kläger spielt seit 1991 Handball. Vom 01.07.1997 bis zum 31.05.2006 spielte er zunächst als Jugendspieler bei der 2. Bundesligamannschaft des VfL P. und ab dem 01.06.2001 als Profispieler Handball. Zum 01.06.2006 wechselte er zum TV N., wo er in der 1. Mannschaft (3. Bundesliga) bis zum Karriereende zum 30.06.2015 Handball spielte. Seitdem ist er als Handballtrainer bei verschiedenen Vereinen, zuletzt beim SG B., tätig.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 08.09.2016 die Anerkennung eines Meniskusschadens als BK nach der Nr. 2102 der Anl. 1 zur BKV. Der Kläger führte vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten aus, dass er am 29.07.2006 einen Riss im Innenmeniskushinterhorn und Pars intermedia erlitten habe. Mit Bescheid vom 17.10.2007 sei ein Anspruch auf Rente wegen des Versicherungsfalls vom 29.07.2006 abgelehnt worden und als Folge des Versicherungsfalles lediglich ein ohne wesentliche Folgen verheilter Riss des Innenbandes am rechten Kniegelenk mit Zerrung des medialen Kapselbandapparates am rechten Kniegelenk anerkannt worden. Nicht anerkannt worden seien dagegen die degenerativen Veränderungen am Innenmeniskushinterhorn des rechten Kniegelenkes. Dies sei damit begründet worden, dass sich bereits bei der kernspintomographischen Untersuchung am 15.07.2004 degenerative Veränderungen im Bereich des Innenmeniskushinterhorns gefunden hätten. Es liege somit ein degenerativer belastungskonformer Meniskusschaden im Sinne der BK Nr. 2102 vor und er habe zu diesem Zeitpunkt bereits über mehrere Jahre lang aktiv Handball gespielt.

Die Beklagte nahm Ermittlungen bezüglich der BK Nr. 2102 auf.

Der Kläger teilte in einem Fragebogen der Beklagten am 10.10.2016 mit, dass die Beschwerden bereits 2004 und dann anlässlich des MRT vom 29.07.2006 aufgetreten seien. Der Kläger machte zugleich Angaben über die Trainings- und Spielzeiten im Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 30.06.2006 beim VfL P. sowie vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2015 beim TSV N.

Die Beklagte zog nachfolgend ärztliche Befundberichte bei.

Der Orthopäde Dr. D. teilte mit Schreiben vom 08.11.2016 mit, dass er den Kläger erstmals am 29.06.2000 und sodann am 15.12.2003 und am 15.07.2004 wegen Beschwerden des rechten Kniegelenkes behandelt habe. Am 29.06.2000 habe sich eine unauffällige Kontur des rechten Kniegelenkes ohne wesentlichen Druckschmerz an der rechten Femurcondyle gezeigt. Er habe eine Periostreizung der Femurcondyle rechts diagnostiziert.

Der TV N. teilte auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 23.11.2016 mit, dass der Kläger insgesamt 20 Stunden pro Woche mit Trainingsspielen im Zeitraum vom 01.06.2006 bis zum 30.06.2015 eingesetzt gewesen sei (vgl. Bl.83 bis 85 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte zog des Weiteren folgende Unterlagen bei:

- Durchgangsarztbericht vom 15.12.2006: Unfall vom 12.12.2006 (Innenbandzerrung linkes Knie),

- Durchgangsarztbericht vom 21.07.2006: Unfall vom 29.07.2006 (im Zweikampf rechtes Knie verdreht, Verda...

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