Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Praxisgebühr. Bestandteil des Regelsatzes. Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelsätze. Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit. Begrenzung der Amtsermittlungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben neben dem Anspruch auf Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge gem § 42 S 1 Nr 4 iVm § 32 SGB 12 keinen Anspruch auf Übernahme der Zuzahlung nach § 28 Abs 4 iVm § 61 S 2 SGB 5 (sog Praxisgebühr), da diese grundsätzlich vom Regelsatz umfasst sind (Kosten der Gesundheitspflege). Im Hinblick auf die Öffnungsklausel des § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 besteht keine Veranlassung, die Höhe der derzeitigen Regelsätze (§§ 28 Abs 1 S 1, Abs 2, 40 SGB 12 iVm SGB12RegSatzV BW) aus materiellen verfassungsrechtlichen Gründen in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsempfänger keine näheren Angaben zu den konkreten Umständen der Bestreitung seines Lebensunterhaltes macht. Das Gericht ist ohne solche Angaben nicht verpflichtet, gewissermaßen ins Blaue hinein zu erforschen, ob abweichende Bedarfe iS von § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 bestehen. Die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Leistungsempfängers führt zur Begrenzung der Amtsermittlungspflicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am ... 1966 geborene Kläger begehrt in diesem Verfahren die Übernahme der so genannten Praxisgebühr von 10,00 € pro Quartal im Rahmen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit Mai 2005 betrug diese 240,40 €. Mit Bescheid vom 24. November 2005 wurde der Rentenzahlbetrag rückwirkend ab 1. Dezember 2002 auf monatlich 307,34 € festgesetzt, welcher Betrag seit Januar 2006 laufend bezahlt wird. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von jetzt 70. Neben der Rente erhielt er im Jahr 2004 Leistungen der Grundsicherung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 24. Juni 2001 (BGBl I, 1310). Nach der Aufhebung dieses Gesetzes durch Artikel 68 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3022) wurden Leistungen von der Antragsgegnerin zunächst in der bisherigen Höhe weiterbezahlt (zuletzt 231,42 €). Nach der Umstellung des Systems auf die Grundsicherung nach dem SGB XII setzte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2005 Leistungen ab 1. Januar 2005 in Höhe von 224,88 € fest. Ab Mai 2005 wurde die Grundsicherung auf 243,54 € monatlich festgesetzt.

Mit einem Schreiben vom 3. Juli 2005 stellte der Kläger Antrag auf Übernahme der Praxisgebühr von 10,00 € pro Quartal, was die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2005 ablehnte. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, die Übernahme von Kosten im Gesundheitswesen richte sich im Rahmen der Grundsicherung des SGB XII nach den Sätzen der gesetzlichen Krankenversicherung. Kosten, die darüber hinausgingen, könnten nicht übernommen werden. Hiergegen erhob der Kläger am 13. Juli 2005 Widerspruch, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2005 zurückwies. In diesem Widerspruchsbescheid wird auf den Ablehnungsbescheid verwiesen und weiter ausgeführt, dass die Zuzahlungen der gesetzlichen Krankenversicherung bereits seit der Neuregelung durch das GKV-Modernisierungsgesetz ab dem 1. Januar 2004 von Sozialhilfeempfängern, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung seien, aus dem ihnen gewährten Regelsatz bis zur gesetzlich festgelegten Belastungsgrenze zu leisten gewesen bzw. nach wie vor zu leisten seien. Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Gewährung einer Beihilfe in diesem Zusammenhang bestehe nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Es sei unzumutbar und nicht finanzierbar, wenn er vier mal jährlich 10,00 € aus seinen Grundsicherungsleistungen selber zahlen müsse. Er sei inzwischen zu 70 % schwerbehindert und chronisch krank. Ein parallel begonnenes Eilverfahren hatte keinen Erfolg (Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 9. August 2005 - S 4 SO 3222/05 ER -, Beschluss des Senats vom 22. September 2005 - L 7 SO 3583/05 ER-B -).

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Oktober 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Hiergegen hat der Kläger am 18. Oktober beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Er trägt vor, das SG habe nicht durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Er bekomme tatsächlich etwas über einen Euro weniger Rente als in dem Gerichtsbescheid angenommen. Der Grad der Behinderung bet...

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