0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 67 ist am 1.1.1976 zusammen mit dem Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches, dem Ersten Buch Sozialgesetzbuch v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3450), in Kraft getreten.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift ermächtigt den Leistungsträger dazu, gemäß § 66 versagte oder entzogene Leistungen nachzuzahlen. Allerdings begründet die Nachholung einer vom Leistungsträger verlangten Mitwirkung nur einen Anspruch auf Prüfung des § 67 (vgl. Bay. LSG, Urteil v. 28.7.2015, L 16 AS 118/15, FEVS 2016 S. 308). Die Regelung gilt für alle Sozialleistungsbereiche, spezialgesetzliche Vorschriften in den einzelnen Sozialgesetzbüchern sind daher entbehrlich. Ihrer bedarf es nur, wenn der Gesetzgeber eine abweichende Regelung treffen will. Bei vergleichbaren Mitwirkungspflichten wären von § 67 abweichende Regelungen in einem der Sozialgesetzbücher aber zweifelhaft (vgl. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil v. 17.8.2000, B 10 LW 8/00 R, SozR 5868 § 32 Nr. 4). Nach Auffassung des BSG wäre eine solche Regelung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ggf. verfassungskonform auszulegen. Anerkannt ist allein § 37 Abs. 6 SGB XI (Kürzung und Entziehung des Pflegegeldes bei nicht abgerufener Beratung). Voraussetzung des § 67 ist zunächst, dass der Leistungsträger gemäß § 66 Abs. 3 rechtmäßig beantragte Leistungen versagt bzw. bereits bezogene Leistungen entzogen hat, weil der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 bis 64 trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen innerhalb einer vom Leistungsträger gesetzten angemessenen Frist nicht nachgekommen ist. Wird die Mitwirkungshandlung nachgeholt und steht fest, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung erfüllt sind, entscheidet der Leistungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen, ob, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe er nunmehr die Leistung erbringt. In Fällen eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Aufgabenübergangs obliegt die Entscheidung dem Auftragnehmer, der seine Entscheidungspraxis gegenüber dem Auftraggeber zu rechtfertigen hat (vgl. z. B. die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II für die Agentur für Arbeit und den kommunalen Träger). Der Leistungsträger kann die Leistung auch rückwirkend ab dem Tag, ab dem die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind oder ab dem die begehrte Leistung entzogen wurde, in voller Höhe nachzahlen. Die Vorschrift soll den Leistungsberechtigten dazu motivieren, zunächst nicht geleistete Mitwirkungshandlungen nachzuholen und dadurch eine Leistungserbringung zu erreichen. Die §§ 66, 67 sollen den Leistungsträger bei der Durchführung und dem Abschluss von Verwaltungsverfahren unterstützen, nicht aber Leistungsansprüche unwiederbringlich vernichten. Der Anreiz zur Nachholung der Mitwirkung liegt hauptsächlich darin, dass die durch § 66 für die Zukunft geregelten Folgen nunmehr nach § 67 für die Vergangenheit rückgängig gemacht werden können.

2 Rechtspraxis

2.1 Anwendungsbereich der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Regelung betrifft versagte oder entzogene Leistungen, die gemäß bestandskräftigem Versagungs- oder Entziehungsbescheid nach § 66 rechtmäßig nicht erbracht worden sind. Die Leistungszahlung kann aufgenommen oder fortgesetzt werden, indem der Versagungsbescheid durch einen Bewilligungsbescheid ersetzt oder der Entziehungsbescheid aufgehoben wird. Für die Zukunft steht dem Leistungsträger kein Ermessen über die Erbringung der Leistung zu; er ist zur Bewilligung der Leistung bzw. Aufhebung des Entziehungsbescheids nach § 48 SGB X verpflichtet. Für die Vergangenheit hingegen entscheidet er nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Nachzahlung. Auf realisierte Sanktions- und Sperrzeitsachverhalte, insbesondere die Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme (§ 31 SGB II, § 159 SGB III), ist § 67 nicht anzuwenden. Der insoweit eingetretene neue Sachverhalt kann nicht mehr rückwirkend korrigiert werden; im Übrigen sind im Rahmen der Sperrzeitregelungen bereits Gesichtspunkte der Zumutbarkeit, eines wichtigen Grundes für das Verhalten und ggf. Härtegesichtspunkte in die Entscheidung eingeflossen. In nicht bestandskräftigen Fällen entfällt der Versagungs-/Entziehungsbescheid durch die Nachholung der Mitwirkung, er wird quasi gegenstandslos.

 

Rz. 4

Eine Anwendung des § 67 bedeutet, dass ein ausgesetztes Verwaltungsverfahren wieder aufgenommen und im Regelfall einer Entscheidung zugeführt wird. Das setzt voraus, dass der zuständige Leistungsträger nicht zwischenzeitlich entweder wegen des Zwangs zur Bescheidung eines Antrags oder zum Zweck der Zielerreichung bei vorgegebenen bzw. vereinbarten Zielen über die Dauer der Bearbeitungszeit von Anträgen (vgl. z. B. § 48 SGB II) endgültig entschieden hat. In diesen Fällen wird der zuständige Leistungsträger, ohne einen Antrag nach § 44 SGB X abzuwarten, die Versagung bzw. Entziehung wie auch die ablehnende oder aufhebende Entscheidung durch eine Bewilligung oder Weiterbewilligung ersetzen. Das gilt auch für Fälle nach § 18 Abs. 2 SGB XI.

 

Rz. 5

§ 67 ist grundsätzlich unabhängig davon zu prüfen, ob eine laufende oder einmalige Sozialleistung od...

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