2.1 Personenkreis

 

Rz. 3

Die Obliegenheit des § 62 trifft Antragsteller und Empfänger von Sozialleistungen. Ärztliche oder psychologische Untersuchungen können demnach erforderlich sein, um die Voraussetzungen für die Bewilligung oder bei Leistungsgewährung in Bewilligungsabschnitten die Bewilligung für einen neuen Bewilligungszeitraum einer begehrten Sozialleistung festzustellen als auch bei laufendem Bezug die Voraussetzungen für die weitere Leistungsgewährung zu überprüfen. Dritte Personen können ohne Antragstellung oder Leistungsbezug von § 62 erfasst werden, wenn ihnen auch ohne eigenen Anspruch Leistungen gezahlt werden sollen, dies jedoch eine Untersuchung voraussetzt.

 

Rz. 4

Es handelt sich um eine persönliche Duldungspflicht. Das bedeutet, dass nur der die Sozialleistung Begehrende oder Beziehende selbst die erforderlichen Untersuchungen an sich vornehmen lassen muss, er kann dazu keinen Vertreter entsenden. In Bezug auf Handlungsfähige i. S. d. § 36 betrifft dies auch Minderjährige.

 

Rz. 4a

Für den betroffenen Personenkreis besteht stets das Risiko einer Mehrfachuntersuchung aus demselben Anlass, z. B. bei Verdacht auf volle Erwerbsminderung durch die Agentur für Arbeit und den zuständigen Rentenversicherungsträger. Da die jeweiligen Leistungsträger sich auf eigenständige oder dieselbe Rechtsgrundlage berufen können, muss der Betroffene dies innerhalb des von § 65 gesetzten Rahmens grundsätzlich dulden. Teilweise haben Sozialleistungsträger Vereinbarungen darüber geschlossen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und wechselseitig bereits vorliegende Untersuchungsergebnisse des anderen Trägers anzuerkennen.

 

Rz. 4b

Die Mitwirkungspflicht gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren. Das Gericht erforscht den Sachverhalt zwar von Amts wegen. Der Betroffene, z. B. ein Versicherter, muss aber seiner Mitwirkungspflicht genügen. Verweigert er eine Begutachtung, hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt z. B. dann, wenn dem Antragsteller durch zumutbare Mitwirkungshandlungen, zu denen nach Maßgabe der §§ 62, 65 auch die Bereitschaft gehört, sich zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die begehrte Leistung amtsärztlich untersuchen zu lassen, begründete Aussicht hat, die begehrte Leistung zu erhalten (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.12.2013, L 9 SO 485/13 B ER u. a.). Ist ein Kläger trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises auf die Konsequenzen nicht bereit, zu einer bestimmten, vom Gericht angeordneten Untersuchung zu erscheinen und hat er auch einer Begutachtung nach Aktenlage nicht zugestimmt, sind die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts erschöpft (vgl. LSG Thüringen, Urteil v. 18.12.2012, L 6 R 1944/11).

2.2 Voraussetzungen der Untersuchung

 

Rz. 5

Zulässige Untersuchungen nach § 62 setzen deren Erforderlichkeit für die Entscheidung über die Leistung und ein entsprechendes Verlangen des Leistungsträgers voraus. Das bezieht sich auf die Anordnung der Untersuchung sowie auch auf die Untersuchungsmaßnahme selbst. Daraus wird deutlich, dass es sich bei § 62 nicht allein um die Regelung der Duldung von Untersuchungen selbst handelt, sondern der gesamte Prozess von den Untersuchungsvoraussetzungen und Mitwirkungspflichten umfasst wird. Das gilt auch für den speziellen Fall, in dem nicht der potenziell anspruchsberechtigte Bürger, sondern das Jobcenter beim Träger der Rentenversicherung einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.3.2012, L 12 AS 2223/11 B ER und 443/12 B).

 

Rz. 6

§ 62 setzt voraus, dass der die Untersuchung begehrende Leistungsträger auch zuständiger Leistungsträger ist. Das ist der Fall, wenn er aufgrund gesetzlicher Vorschriften befugt ist, über die Bewilligung, Ablehnung, Versagung oder Entziehung der beantragten oder laufend gewährten Leistung zu entscheiden. Dieser Leistungsträger hat festzustellen, dass es einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung bedarf, um über die begehrte Leistung entscheiden zu können. Diese Feststellung und die dafür maßgebenden Gründe sollten aktenkundig sein, sie müssen dem Antragsteller bzw. Leistungsbezieher gegenüber ggf. dargelegt werden. Prophylaktische Untersuchungen sind unzulässig, ebenso Untersuchungen trotz Vorliegens verwertbarer Untersuchungsergebnisse. Die Feststellung betrifft insbesondere zwei Aspekte, nämlich zum einen den konkret notwendigen Feststellungsbedarf, der in kausaler Beziehung zu einer Untersuchung stehen muss, und die Auswertung vorhandener Unterlagen, aus der die Erforderlichkeit einer Untersuchung hervorgeht. Die Untersuchung eines Leistungsberechtigten der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf eine Suchtmittelabhängigkeit ist für die Entscheidung über die Leistung nur dann erforderlich, wenn es aus dem Verhalten des Antragstellers oder sonst zugänglichen Informationen Hinweise hierauf gibt (LG Heidelberg, Urteil v. 22.8.2013, 3 O 403/11, ZFSH 2014 S. 38). Ansonsten stellt sie für das Gericht einen rechts...

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