Entscheidungsstichwort (Thema)

Folgen der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten des Klägers

 

Orientierungssatz

1. Eine auf die Verurteilung des Rentenversicherungsträgers gerichtete Klage zur Gewährung von Erwerbsminderungsrente ist abzuweisen, wenn die Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht festgestellt werden kann. Ist der Kläger trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises auf die Konsequenzen nicht bereit, zu der vom Gericht angeordneten Untersuchung zu erscheinen und hat er auch einer Begutachtung nach Aktenlage nicht zugestimmt, so sind die Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts erschöpft.

2. Das Gericht erforscht den Sachverhalt zwar von Amts wegen. Der Versicherte muss aber seiner Mitwirkungspflicht genügen. Verweigert er eine Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen.

3. Eine Mitwirkungspflicht des Versicherten besteht nur dann nicht, wenn ihm deren Erfüllung aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden kann bzw. wenn bei einer Untersuchung ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1957 geborene Kläger besitzt keine abgeschlossene Berufsausbildung und war überwiegend mit Hilfstätigkeiten in verschiedenen Bereichen betraut. Zuletzt war er im Jahr 2003 als Tierpflegerhelfer tätig. Seitdem ist er arbeitslos.

Am 15. September 2008 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein orthopädisches Gutachten des Dr. M. vom 28. Juli 2008 aus einem Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung beim Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 7 SB 1822/07) vor. Nach Auswertung des Gutachtens durch den medizinischen Dienst und nachdem der Kläger ärztliche Untersuchungen verweigert hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2008 mit der Begründung ab, er sei nach den ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner schweren Erkrankungen wegeunfähig sei. Er könne wegen seiner schweren Fußdeformität keine Arbeitsplätze erreichen. Darüber hinaus bestehe bei ihm eine Vielzahl von Einschränkungen, so dass er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Er lehnte wiederum weitere ärztliche Untersuchungen sowie weitere Ermittlungen durch Beiziehung aktueller Befundberichte ab, woraufhin die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2009 mit der Begründung zurückwies, der Kläger sei nach den bisherigen ärztlichen Feststellungen noch in der Lage, mehr als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Da er jegliche weitere Ermittlungen ablehne, könne eine Entscheidung nur nach Aktenlage getroffen werden. Demnach sei der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Mit der am 12. August 2009 beim Sozialgericht Nordhausen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass er aufgrund der Vielzahl und der Schwere seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, am Arbeitsleben teilzunehmen.

Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten des praktische Arztes Dr. F. vom 29. Dezember 2009, der Internistin Dr. K. vom 13. Januar 2010 sowie des Orthopäden Dr. R. vom 25. Januar und vom 5. November 2010. Der Kläger hat die Einholung von Sachverständigengutachten bei Dipl.-Med. A. sowie bei Dr. T. abgelehnt und die Vorsitzende der 5. Kammer des SG für befangen erklärt. Das Befangenheitsgesuch hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 28. Januar 2011 (Az: L 6 SF 1503/10) für unbegründet erachtet.

Das SG hat mit Verfügung vom 8. Juli 2011 Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011 bestimmt, ohne das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen. Mit Telefax vom 16. August 2011 hat der Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung bis zum 31. August 2011 seines damaligen Hausarztes vom 15. August 2011 übersandt und mitgeteilt, dass er den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen könne, da er "krankgeschrieben" sei "und auch Befangenheit" vorliege sowie seine Rechte nicht beachtet würden. Im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 2011, an dem der Kläger nicht teilgenommen hat, hat das SG die Klage durch Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Rentenanspruch des Klägers nach Aktenlage nicht zweifelsfrei feststellen lasse. Aufgrund der Weigerung des Klägers, sich begutachten zu lassen, sei eine weitere Beweiserhebung nicht möglich. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderun...

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