Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtsverfahren. Begutachtung im häuslichen Umfeld

 

Orientierungssatz

Eine Begutachtung im häuslichen Umfeld kommt wegen der damit verbundenen Kosten und Erschwernisse nur in zwingenden Ausnahmefällen in Betracht.

 

Normenkette

SGG § 103 S. 1 Halbs. 1, § 103 S. 1 Halbs. 2, § 109 Abs. 1 S. 1; SGB I § 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; SGB VI § 43 Abs. 2-3

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Facharbeiter für Werkzeugmaschinen. Von 1990 bis 1996 übte er diverse Hilfsarbeiten aus. Eine Umschulung zum Metallbauer schloss er nicht ab. Im Anschluss war er arbeitslos. Zeitweise bestritt er seinen Lebensunterhalt mit dem Diebstahl von Buntmetallen. Er litt zumindest zeitweise an einer Cannabis-, Alkohol- und Tabakabhängigkeit sowie einer schizotypen Störung und einer Agoraphobie mit Panikattacken. Von Januar 2005 bis August 2006 gewährte die Beklagte ihm eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Vom 9. Februar bis zum 27. Juli 2005 befand sich der Kläger zur Rehabilitation in der Fachklinik für Drogenabhängige H., aus der er abstinent entlassen wurde. Im Reha-Entlassungsbericht vom 4. August 2005 wird ein negatives Leistungsbild hinsichtlich der geistig psychischen Belastbarkeit bescheinigt. Es bestehe eine maximale tägliche Leistungsfähigkeit von fünf Stunden aufgrund der noch verminderten psychischen Belastbarkeit verbunden mit Rückfallgefährdung.

Am 5. Juli 2006 beantragte er die Verlängerung der befristet gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Antrag mangels Mitwirkung des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dass er den angeforderten ärztlichen Befundbericht nicht vorgelegt habe. Hiergegen erhob der Kläger am 10. November 2006 Widerspruch. Anlässlich einer Vorsprache am 7. November 2007 bat er wegen seiner Angstzustände um eine Begutachtung in G. möglichst durch Dr. R. Die Beklagte veranlasste sodann eine medizinische Begutachtung durch diesen. Er teilte ihr mit Schreiben vom 27. September 2007 mit, dass der Kläger zwei Begutachtungstermine nicht wahrgenommen habe. Der Kläger habe sie jeweils im Nachgang ohne hinreichende Begründung abgesagt. Er sei daher nicht mehr bereit, einen weiteren Begutachtungstermin zu vergeben. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 zu einer beabsichtigten Versagung der Rente wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht an und veranlasste eine medizinische Begutachtung durch Dr. H. Sie berichtete in ihrem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 7. Februar 2008, dass der Kläger an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer Agoraphobie mit Panikstörung leide. Die Cannabis-, Alkohol- und Nikotinabhängigkeit sei zurzeit klinisch latent. Aus rein körperlicher Sicht bestünden keine Leistungseinschränkungen. Die psychische und psychopathologische Symptomatik begründe qualitative aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung auf die Leistungseinschätzung im Gutachten der Dr. H.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2008 hat das Amtsgericht Gera nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens des Dr. A., K. B. als rechtlichen Betreuer unter anderem mit dem Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Ämtern und Institutionen bestellt. Das SG hat einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Nervenheilkunde D. beigezogen, bei der sich der Kläger bis dahin einmalig am 9. Februar 2009 vorgestellt hatte und eine Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. K. veranlasst. Er gelangt in seinem psychiatrischen Gutachten vom 11. August 2010 zu folgenden Diagnosen: Cannabisabhängigkeit, schizotype Störung und Agoraphobie mit Panikattacken. Hierdurch sei die psychische Belastbarkeit des Klägers massiv herabgesetzt. Die Schizotypie sei gekennzeichnet durch ein hohes Maß an verminderter Beziehungsfähigkeit, Denkstörung, überwertigen bis wahnhaften Ideen, Eigentümlichkeiten des Verhaltens und nach Außen wirkender emotionaler Distanz. Die zugrunde liegende Inkohärenz der Ich-Identität, der strukturellen Labilität und der Neigung zur massiven Projektion der innerseelischen Konflikte nach außen mit dem Zug des Bedrohlichen, Sonderlinghaften und Unnahbaren führten bei derart gestörten Menschen zu ausgesprochen problematischen Lebensentwicklungen, wie sie auch bei dem Kläger zu Tage träten. Es komme immer wieder zu massiven Beziehungsstörungen und Beziehungsabbrüchen, Arbeitsversuche scheiterten und ähnliches. Auch Entscheidungsfindungen der Bet...

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