Rz. 40

Der mit Wirkung zum 18.6.1994 eingefügte Abs. 4 hat eine Vielzahl von Problemen bei der Pfändung von laufenden Geldleistungen beseitigt, die sich aus der zuvor erforderlichen Billigkeitsprüfung und der Beschränkung für den Fall der Sozialhilfebedürftigkeit ergeben hatten. Dies erscheint zudem im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit von Sozialleistungen konsequent, wenn man nicht grundsätzliche sozialpolitische Bedenken gegen die Verkehrsfähigkeit von Sozialleistungen geltend macht (so z. B. Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 1; SGb 2016 S. 69). Zugleich wird damit, insbesondere im Zusammenhang mit der Bestimmbarkeit des pfändbaren Betrags nach § 850c ZPO durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung und der Anlage dazu, auch für den Gläubiger erkennbar, in welchem Umfang er mit seiner kreditierten Forderung durch Abtretung oder Pfändung Sicherheiten auch durch Sozialleistungen erhält. An der Regelung kann allenfalls deren systematische Stellung und der fehlende ausdrückliche Vorbehalt für die in Abs. 3 und 5 genannten Leistungen, die ebenfalls laufende Sozialleistungen betreffen, bemängelt werden. Die darin genannten Leistungen sind ganz oder teilweise unpfändbar und unterliegen damit gar nicht den Regelungen über die Pfändung von Arbeitseinkommen oder aber dürfen nur betragsmäßig begrenzt als solches berücksichtigt werden.

2.5.1 Pfändung nach ZPO

 

Rz. 41

Nur Ansprüche auf laufende Sozialleistungen können wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Laufende Geldleistungen sind Sozialleistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; dies gilt auch dann, wenn sie wegen verspäteter oder zusammenfassender Zahlung für mehrere Zeitabschnitte in einer Summe ausgezahlt werden (BT-Drs. 7/868 S. 33). Laufende Sozialleistungen sind auch solche regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen, deren Ende bereits absehbar ist (z. B. wegen zeitlicher Begrenzung des gesetzlichen Anspruchs selbst oder der nur abschnittsweisen Bewilligung). Die Pfändbarkeit von Sozialleistungen wie Arbeitseinkommen nach Abs. 4 setzt aber nicht voraus, dass es sich um eine laufende Zahlung zur Sicherung des Lebensunterhalts handeln muss (vgl. Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 92). Die sich daraus ergebenden Differenzen zur Abtretung (§ 53 Abs. 3), wonach nur die Abtretung von laufenden Leistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienen, zulässig ist, sind allerdings gering. Leistungen, die nicht dem Lebensunterhalt dienen, sind insbesondere Leistungen mit besonderer Zwecksetzung, die überwiegend den unpfändbaren laufenden Geldleistungen nach Abs. 3 zuzuordnen sind.

 

Rz. 42

Wie bei der Abtretung wird mit der Verweisung auf die Pfändbarkeit auf die Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO insgesamt verwiesen (so u. a. auch Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 54 Rz. 77, Stand: 16.8.2021; v. Koppenfels-Spies, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 54 Rz. 21, Stand: Januar 2022; Baier, in: Krauskopf, SozKV SGB I, § 54 Rz. 36, Stand: Februar 2013; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 94), die hier ohnehin unmittelbar oder, soweit die Vollstreckung nach der Abgabenordnung (§§ 249 ff., §§ 281 ff. AO) oder dem Vollstreckungsrecht der Länder oder des Bundes (§ 5 VwVG Bund, mit Verweis auf die AO) erfolgt, mittelbar anzuwenden sind. Der Verweis auf die §§ 850 ff. ZPO beinhaltet insbesondere die Anwendung von § 850c ZPO über die Pfändungsgrenzen, die Pfändung bei Unterhaltsansprüchen nach § 850d ZPO, aber auch die Anwendung von z. B. § 850e Nr. 2, 2a ZPO, über die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen, und § 850f ZPO über die Herabsetzung des pfändbaren Betrages durch das Vollstreckungsgericht auf Antrag.

 

Rz. 43

Der Begriff des Arbeitseinkommens ist der der Vorschriften der ZPO (insbesondere § 850 ZPO), nicht der nach § 15 SGB IV für das Sozialversicherungsrecht geltende Begriff des Arbeitseinkommens als der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit, sondern umfasst auch das Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV. Für die Pfändbarkeit von laufenden Sozialleistungen nach Abs. 4 kommt es jedoch nicht darauf an, dass die Leistungen als Arbeitseinkommen nach § 850c ZPO anzusehen sind; ausreichend ist insoweit allein der Bezug einer Sozialleistung in Geld nach Abs. 4. Auch die Leistungen nach dem SGB II unterlagen bis zum 31.7.2016 (vgl. Rz. 21a) nur dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (BGH, Beschluss v. 25.10.2012, VII ZB 31/12). Die Verweisung bedeutet insbesondere, dass die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO zu beachten sind. Diese Grenzen werden alle 2 Jahre angepasst. Nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 v. 21.5.2021 (BGBl. I S. 1099) betrug ab 1.7.2021 der Pfändungsfreibetrag im Falle des § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO monatlich 1.252,64 EUR und im Falle des § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO (bei gesetzlicher Unterhaltspflicht für eine Person) monatlich 1.724,09 EUR.

Ab dem 1.7.2022 erhöhten sich nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 v. 25.5.2022 (BGBl. I S. 825) diese Beträge au...

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