2.2.1 Gleichartigkeit der Ansprüche

 

Rz. 9

Die Aufrechnung setzt, wegen der damit verbundenen wechselseitigen Erfüllung, die Gleichartigkeit der Ansprüche voraus (§ 387 BGB). Diese Voraussetzung kann im Bereich des Sozialrechts lediglich bei Geldleistungsansprüchen erfüllt sein, so dass § 51 die Aufrechnung auf Geldleistungsansprüche beschränkt. Für die Aufrechnung selbst kommt es nicht darauf an, ob es sich um einmalige oder laufende Geldleistungen handelt. Die Differenzierung zwischen einmaliger oder laufender Geldleistung hat jedoch Bedeutung für die Pfändbarkeit nach § 54 und damit dann auch für den zulässigen Umfang der Aufrechnung.

 

Rz. 10

Zu den Geldleistungsansprüchen zählen auch die an die Stelle von Dienst- oder Sachleistungen getretenen Erstattungsansprüche in Geld, da es sich hierbei um reinen Geldersatz handelt. Geldleistungen, die der Sache nach Dienstleistungen darstellen oder zur Beschaffung einer Sachleistung dienen sollen (z.B. Kosten einer selbst beschafften Haushaltshilfe nach § 38 SGB V, Beihilfe zur Kfz-Beschaffung), zählen dagegen nicht zu den aufrechenbaren Geldleistungsansprüchen.

 

Rz. 11

Die Gleichartigkeit der Ansprüche bedeutet nicht, dass der Schuldgrund aus dem gleichen Rechtsverhältnis (z.B. einem bestimmten Versicherungsverhältnis oder zu einem bestimmten Versicherungsträger) herrühren muss. Im Sozialrecht begründete Ansprüche gegen den Leistungsträger können mit zivilrechtlichen Ansprüchen des Berechtigten und gegen den Leistungsträger gerichtete zivilrechtliche Ansprüche mit im Sozialrecht begründeten Ansprüchen aufgerechnet werden.

 

Rz. 12

Wird aber mit einem nicht dem Sozialrecht zugehörigen Anspruch aufgerechnet, muss dieser Anspruch feststehen oder zumindest auf dem dafür geltenden Rechtsweg geltend gemacht worden sein (zivilrechtliche Ansprüche durch Mahnbescheid oder Klage). Ein mit einem Aufrechnungsstreit befasstes Sozialgericht hat den Rechtsstreit bis zur Klärung des Gegenanspruchs im dafür zuständigen Rechtsweg auszusetzen (BSG, Urteil v. 10.3.1982, 5b RJ 30/81, SozR 1200 § 51 Nr. 13). Beabsichtigt der Sozialleistungsträger nicht die Verfolgung und Titulierung dieses behaupteten Gegenanspruchs, kann er bei Streit über das Bestehen dieses Anspruchs auch nicht die Aufrechnung damit erklären (BSG, Urteil v. 17.9.1981, 4 RJ 13/80, SozR 1200 § 51 Nr. 12).

2.2.2 Gegenseitigkeit der Ansprüche

 

Rz. 13

Der Sozialleistungsträger (als Schuldner der Forderung mit der aufgerechnet) und der Leistungsberechtigte (als Schuldner der Hauptforderung gegen die aufgerechnet wird) müssen sich zugleich jeweils als Schuldner und Gläubiger von Geldleistungsansprüchen gegenüberstehen (Personenidentität). Für diese Personenidentität ist ausreichend, dass der Leistungsberechtigte im Wege der Durchgriffshaftung oder aus anderen Gründen (Bürgschaft, Schuldübernahme) für eine Forderung des Sozialleistungsträgers haftet. Die Ausnahme von der Personenidentität ist in § 52 als Verrechnung geregelt.

 

Rz. 13a

Die Gegenseitigkeit der Ansprüche ist lediglich davon abhängig, dass sozialversicherungsrechtlich das die Zahlungspflicht begründende Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger besteht. Daher ist es für die Gegenseitigkeit unschädlich, wenn der Sozialleistungsträger, wie z.B. die Krankenkasse als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d SGB IV), mit ihrer Forderung auch Beitragsansprüche für einen anderen Sozialleistungsträger geltend macht und diese zur Aufrechnung stellt. Andererseits kann aber der Sozialleistungsträger, dem die Beiträge im Innenverhältnis zustehen, diese Ansprüche nicht einem Sozialleistungsberechtigten durch Aufrechnung entgegenhalten. Die Pflegekasse kann rückständige Beiträge zur Pflegeversicherung, die als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28d SGB IV) an die Krankenkasse als Einzugsstelle zu zahlen sind (§ 28h SGB IV), nicht mit dem Anspruch auf Vergütung von Pflegeleistungen verrechnen oder aufrechnen (BSG, Urteil v. 12.6.2008, B 3 P 1/07 R). 

 

Rz. 14

Die Gegenseitigkeit muss nicht vom Entstehen der Ansprüche an bestanden haben. Auch dem Erben oder Sonderrechtsnachfolger (§§ 56 ff.) gegenüber kann daher die Aufrechnung erklärt werden, da dieser in die Schuldner- oder Gläubigerstellung eintritt. Die Gegenseitigkeit kann auch dadurch entstehen, dass ein Sozialleistungsanspruch an einen Dritten abgetreten wird, dem gegenüber der Leistungsträger eine Forderung hat.

2.2.3 Fälligkeit und Erfüllbarkeit der Ansprüche

 

Rz. 15

Die Aufrechnungslage setzt weiterhin voraus, dass der Sozialleistungsträger vom Sozialleistungsberechtigten die Gegenforderung fordern und er seinerseits seine Geldleistung bewirken kann. Das setzt voraus, dass die Gegenforderung nicht nur entstanden, sondern auch schon fällig sein muss. Die als typische Gegenleistung in Betracht kommenden Leistungserstattungsansprüche müssen daher im Regelfall durch Bescheid geltend gemacht worden sein (§ 50 Abs. 3 SGB X) oder es müssen Beitragsansprüche nach §§ 23 ff. SGB IV fällig geworden sein. Die Hauptforderung muss dagegen noch nicht fällig, sondern lediglich erbringbar sein, was bereits schon vor der Fälligkei...

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