Rz. 8

Dieses Normelement ist gleichsam das Eingangstor in den Anwendungsbereich des SER. Hieraus folgt: Ohne Gesundheitsschaden keine Entschädigung. Auf einen rein wirtschaftlichen Schaden kommt es nicht an. Sach- und Vermögensschäden werden von § 5 nicht erfasst. Gesundheitliche Folge einer Schädigung ist ein auf Verletzungen oder Krankheit beruhender regelwidriger Körper- oder Geisteszustand.

Die gesundheitlichen Folgen einer Schädigung werden in erster Linie durch Maßnahmen der Heilbehandlung kompensiert. Wirtschaftlichen Folgen der Schädigung begründen unter bestimmten Voraussetzen ggf. Renten- und sonstige Leistungsansprüche (z. B. Berufsschadensausgleich nach § 30 BVG).

 

Rz. 8a

Der Gesundheitsschaden ist von dem der Krankheit abzugrenzen. Der Begriffsinhalt der Krankheit im medizinischen Sinn weicht von jenem der Krankheit im Rechtssinn ab. Nach § 27 SGB V ist Krankheit ein Rechtsbegriff. Eine Legaldefinition des Begriffs "Krankheit" namentlich im SGB V existiert nicht. Ganz überwiegend wird unter Krankheit i. S. d. gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand gefordert, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit von Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, Stand 3/2008, § 27 Rz. 50 m. w. N.; vgl. auch BSG, Urteil v.16.5.1972, 9 RV 556/71, USK 7269). Weit verstanden wird Krankheit in der Medizin demgegenüber mit dem Fehlen von Gesundheit gleichgesetzt (vgl. Schmidt, a. a. O., § 27 Rz. 37). Gesundheit ist insoweit definiert als ″Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens″ (Präambel zur Satzung der Weltgesundheitsorganisation WHO) und nicht nur als Fehlen von Krankheit. Krankheit ist hiernach nicht schlicht der Kehrwert von Gesundheit (hierzu vertiefend Schmidt, a. a. O.). Bei der Abgrenzung der Krankheit im medizinischen Sinn von Gesundheit ist eine bestimmte, aus einer Vielzahl von Beobachtungen mithilfe statistischer Methoden gewonnene Schwankungsbreite zu berücksichtigen, innerhalb derer der Betroffene noch als gesund angesehen wird. Bei der Beschreibung einer Krankheit muss zwischen ihren Ursachen (Krankheitsursache) und ihren sichtbaren Anzeichen (Symptomen) unterschieden werden. Der allgemeine Krankheitsbegriff der Medizin im engeren Sinn stellt hingegen auf das Vorliegen subjektiv empfundener und/oder objektiv feststellbarer körperlicher, geistiger bzw. seelischer Veränderungen oder Störungen ab (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl. 2014, S. 1150 f.). Insoweit ergeben sich Berührungspunkte zum Rechtsbegriff der Krankheit nach dem SGB V. Der Gesundheitsschaden ist häufig mit dem der Krankheit identisch, kann indessen im Einzelfall weiterreichen und auch Dauerschäden ohne akuten Krankheitswert erfassen. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine ernsthafte, nachhaltige Störung des physischen oder psychischen Befindens handeln muss. Eine vorübergehende oder nur unwesentliche Gesundheitsbeeinträchtigung ist kein Gesundheitsschaden. Immaterielle Schäden, die sich nicht auf das Erwerbsleben auswirken, sind nicht Gegenstand von Entschädigungsansprüchen.

2.2.1 Abgeltung eines besonderen Opfers

 

Rz. 9

Der Gesundheitsschaden muss als Folge eines besonderen Opfers eingetreten sein. Was unter dem Begriff "besonderes Opfer" zu verstehen ist, wird in § 5 Satz 1 nicht definiert. Das BSG versteht hierunter die Fallgestaltungen, denen ein Sonderopfer zugrunde liegt, die mithin einen Aufopferungsanspruch begründen. Nach § 1 Abs. 1 BVG sind die Folgen typischen Kriegsgeschehens zu entschädigen. Der Staat hat damit die ihm obliegende Entschädigungspflicht auch und gerade den Kriegsopfern gegenüber anerkannt, weil er den Einsatz der Gesundheit, des eigenen Lebens und des Lebens der Angehörigen verlangt hat (BSG, Urteil v. 13.12.1966, 10 RV 447/65, BSGE 26 S. 30). Dieser im BVG verankerte Aufopferungsanspruch (BVerfG, Beschluss v. 30.5.1978, 1 BvL 26/76, BVerfGE 48 S. 281, 288) ist in der 1. Alternative des § 5 Satz 1 geregelt (so BSG, Urteil v. 23.10.1985, 9a RVg 4/83, SozR 3800 § 1 Nr. 5 ).

Hier zeigt sich neuerlich der Charakter der Vorschrift als Programmsatz mit schlichter Leitfunktion. Demgemäß wird dieses Normelement durch die spezialgesetzlichen Vorschriften und Leistungssysteme präzisiert. An erster Stelle sind hier die anspruchsbegründenden Vorschriften der §§ 1 bis 8b BVG zu nennen; weitere Anspruchsnormen finden sich z. B. in § 80 SVG, § 47 ZDG, § 1 OEG und §§ 4, 5 HHG. Jeweils wird das "besondere Opfer" spezialgesetzlich als anspruchsbegründendes Tatbestandselement eigenständig formuliert.

 

Rz. 10

Die Schwere des Gesundheitsschadens allein rechtfertigt das Eintreten der staatlichen Gemeinschaft nicht. Hinzutreten muss der kausale Zusammenhang zwischen Entstehungsgrund (schädigender Vorgang) und Primärschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Primärschaden und der Schädigungsfolge (haftungsausfüllende Kausalität). Entschädigungsfähig sind nicht nur unmittelba...

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