Rz. 41

Abs. 3 beinhaltet für den Bereich des Sozialrechts einen eigenständig geregelten Fall der Hemmung der Verjährung durch schriftlichen Antrag und die Weiterverfolgung abgelehnter Anträge im Widerspruchsverfahren (Vorverfahren nach § 78 SGG). Diese Regelung entspricht den verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Sozialrecht für die Geltendmachung und Verfolgung von Sozialleistungsansprüchen vor einer möglichen Klageerhebung. Die nunmehr auch für die Rechtsverfolgung in Klageverfahren vorgesehene Hemmungswirkung des § 204 BGB wird auf das Verwaltungs- und Vorverfahren (§ 78 SGG) vorverlegt. Bis zur rückwirkenden Änderung durch das HZvNG waren Antragstellung und Widerspruch noch als Unterbrechungstatbestände der Verjährung geregelt (zur Übergangsregelung vgl. Komm. zu § 70).

 

Rz. 42

Danach wird die Verjährung durch einen schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder die Erhebung eines Widerspruchs gehemmt, was insbesondere für die Tatbestände der förmlichen Ablehnung der Sozialleistung durch Verwaltungsakt von Bedeutung ist. Dem schriftlichen Antrag steht der Antrag in elektronischer Form gleich, wenn dieser mit einer qualifizierter Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (vgl. § 36a und Komm. dort). Für den Widerspruch ergibt sich das Schriftformerfordernis einschließlich der Einlegung zur Niederschrift aus § 84 Abs. 1 SGG. Auch hier kann das Schriftformerfordernis durch ein elektronisches Dokument ersetzt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. Das Schriftformerfordernis kann grundsätzlich auch durch die besonderen Verfahren für die Gleichstellung nach § 36a Abs. 2 Satz 4 erfüllt werden. Schriftlichkeit bedeutet gemäß § 126 Abs. 1 BGB grundsätzlich, dass ein Schriftstück vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet wird. § 126 Abs. 3 BGB modifiziert diese Anforderung bereits mit Rücksicht auf die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten, verlangt aber gleichfalls eine qualifizierte Signatur.

 

Rz. 43

Bei diesem schriftlichen Antrag kann es sich nur um einen verfahrensrechtlichen Antrag handeln, mit dem die bereits entstandenen Sozialleistungsansprüche zur Erfüllung geltend gemacht und angemahnt werden. Nur einem solchen Antrag kann verjährungshemmende Wirkung zukommen.

 

Rz. 44

Ein materiellrechtlich erforderlicher Antrag für die Sozialleistung an sich kann dagegen erst einen Anspruch begründen und nicht zugleich auch der Verjährungshemmung dienen. Hier ist deutlich von dem Entstehen eines abstrakten Rechts i. S. des Stammrechts und dem Rechtsanspruch auf Erfüllung der daraus folgenden einzelnen Erfüllungsansprüche zu unterscheiden, da nur Letztere der Verjährung unterliegen.

 

Rz. 45

Daher unterliegen auch bestandskräftig festgestellte Ansprüche (aus dem Stammrecht folgende Einzelansprüche) hinsichtlich der Erfüllung (nur) der 4-jährigen Verjährungsfrist, wenn nicht ihre Erfüllung verjährungshemmend geltend gemacht wird. Daher setzt ein die Verjährung hemmender Antrag ein mahnungsähnliches Verhalten, also die Einforderung der Erfüllung voraus (BSG, Urteil v. 15.5.2000, B 7 AL 64/99 R). In diesen Fällen könnte auch eine reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhoben werden, weil ein Verwaltungsakt über den Anspruch schon vorliegt (vgl. auch § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Wegen des in der Feststellung liegenden Anerkenntnisses läuft die Verjährung ab der Bekanntgabe des Verwaltungsakts.

 

Rz. 46

Dies schließt jedoch nicht aus, dem den Rechtsanspruch begründenden schriftlichen Antrag zugleich auch verjährungshemmende Wirkung beizumessen. Mit dem Antrag wird letztlich zugleich auch die Erfüllung der damit nach gesetzlichen Vorschriften entstehenden oder sogar schon bestehenden Leistungs-/Erfüllungsansprüche begehrt. Der Sozialleistungsträger hat dann nach § 20 SGB X von Amts wegen über die Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchshöhe zu befinden und durch Verwaltungsakt zu entscheiden. In diesen Fällen ist ein weiteres Tätigwerden des Sozialleistungsberechtigten i. S. des Betreibens des Verfahrens nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil v. 12.2.2004, B 13 RJ 58/03 R). Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, dass im Fall der Leistungsablehnung unabhängig davon, ob der Antrag materiellrechtliche oder lediglich verfahrensrechtlich Bedeutung hatte, auch durch das Widerspruchsverfahren und die anschließende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eine Hemmung der Verjährung bewirkt wird.

 

Rz. 47

Selbst wenn man jedoch annimmt, dass eine Hemmung der Verjährung erst bei entstandenen Ansprüchen eintreten kann und konkrete Ansprüche dem Grunde nach erst durch die Feststellung durch bewilligenden Verwaltungsakt entstehen, wird man die Hemmung der Verjährung aus der dann vorgreiflichen Bescheidung des Leistungsträgers annehmen müssen. Dem entspricht, dass im Sozialrecht prozessrechtlich ein dem Grunde oder der Höhe nach abgelehnter Anspruch nur zur Verpflichtung der Neubescheidung führt (§ 54 Abs. 1, § 131 Abs. 2 SGG).

 

Rz. 48

Die durch schriftlichen Antrag oder Widerspruch eintretende Hemmu...

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