Rz. 3

Die Vorschrift setzt das Bestehen von Rechten (sozialrechtlichen Ansprüchen) oder Pflichten voraus und enthält ein Individualisierungsgebot, indem bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse, der Bedarf und die Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Unter Ausgestaltung ist dabei die Art und Weise und der Umfang der Leistungserbringung zu verstehen, also die "Wie" der Leistung. Dieses Individualisierungsgebot richtet sich einseitig allein an den Sozialleistungsträger, weil nur dieser zur Leistung und damit dessen Ausgestaltung verpflichtet und berechtigt ist. Die Regelung beinhaltet eine Verpflichtung zur Beachtung der persönlichen und örtlichen Verhältnisse (so auch Lilge, SGB I, 3. Aufl., § 33 Rz. 19; Weselski, in: jurisPK-SGB I, § 33 Rz. 10, Stand: 20.1.2014).

 

Rz. 3a

Die Vorschrift ist in ihrem Anwendungsbereich allerdings zweifach begrenzt. Sie kommt die nur zum Tragen, soweit die Rechte und Pflichten nicht bereits nach Art und Umfang gesetzlich festgelegt und begrenzt sind und soweit nicht Rechtsvorschriften entgegenstehen. Es muss also für den Sozialleistungsträger nach Art und Umfang der Rechte und Pflichten ein Handlungsspielraum zur Berücksichtigung individueller Interessen des Berechtigten bestehen.

 

Rz. 3b

Zu berücksichtigen sind die persönlichen Verhältnisse. Hierbei handelt es sich um einen sehr weiten Begriff, der die Berücksichtigung aller in der Person des Leistungsberechtigten liegenden Umstände zulässt (z. B. Alter, Geschlecht, Behinderung, Bildungsstand, Herkunft, Religion oder Weltanschauung etc.), aber auch dessen Lebensumstände (z. B. Familienstand, Wohnverhältnisse, Arbeitsplatz etc.) einschließt. Die Berücksichtigung des individuellen Bedarfs ist bezogen auf den Leistungszweck, wegen dessen die Sozialleistung zu gewähren ist, und objektiv zu bestimmen (so Weselski, in: jurisPK-SGB I, § 33 Rz. 37, Stand: 20.1.2014; Lilge, SGB I, 3. Aufl., § 33 Rz. 26; a. A. Seewald, in: KassKomm. SGB I, § 33 Rz. 15, Stand: September 2007), weil der nur subjektiv geltend gemachte Bedarf bei der Ausgestaltung der Leistung sonst als unangemessen nach Satz 2 zurückzuweisen wäre. Das Kriterium der Leistungsfähigkeit bei der Ausgestaltung von Rechten und Pflichten ist gleichfalls nach objektiven Merkmalen zu bestimmen (so auch Seewald, in: KassKomm. SGB I, § 33 Rz. 16, Stand: September 2007) und wie der Bedarf nach dem Leistungszweck zu bestimmen. Dabei ist Leistungsfähigkeit im Regelfall wohl nicht i. S. einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu verstehen, denn die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird zumeist bei der Beurteilung eines Leistungsanspruchs auf Tatbestandsseite berücksichtigt und ist daher nicht (erst) bei der Ausgestaltung der Leistung zu berücksichtigen; dies gilt auch in den Fällen der Leistungsgewährung unter Mehrkostenvorbehalt. Andererseits spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Berechtigten bei einer Vielzahl von Sozialleistungen (insbesondere medizinischen oder beruflichen Rehabilitation, Pflegebedürftigkeit) schon dem Grunde nach keine Rolle. Daher ist Leistungsfähigkeit vornehmlich im Hinblick auf die gesundheitlichen Fähigkeiten zu bestimmen. Die Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betreffen die Beziehung des Leistungsberechtigten zu einem bestimmten Ort (Wohn- oder Arbeitsort; Ort der Leistungserbringung). Bei den Sach- oder Dienstleistungsansprüchen bei denen § 33 zur Anwendung kommen kann, und bei denen der Wohnort typischerweise auch der Leistungsort ist, bedeutet dies, dass auch Wünsche des Berechtigten zu einem davon abweichenden Leistungsort bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen sind (so z. B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.10.2008, L 8 B 15/08 R ER zur Auswahl einer wohnortnahen Reha-Klinik).

 

Rz. 4

Des Rückgriffs auf § 33 bedarf es dabei schon in den Fällen nicht, in denen bereits der Anspruch durch den individuellen Bedarf, die persönlichen und örtlichen Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit geprägt ist oder diese Verhältnisse im Rahmen unbestimmter Rechtsbegriffe oder eines eingeräumten Ermessens auf der Tatbestandsseite bereits beim "Ob" und "Wie" des Anspruchs zu berücksichtigen sind (so insbesondere in den Fällen von § 7 SGB III, § 2 Abs. 3 SGB V, § 5 SGB VIII, § 9 SGB IX und § 9 Abs. 2 SGB XII). In soweit kann § 33 auch Einfluss auf die Ausgestaltung von Ermessensansprüche haben.

 

Rz. 5

Nicht nach § 33 ist die Wahl zwischen verschiedenen Ansprüchen zu beurteilen. Hier wird der Anspruch durch die Beantragung einer von mehreren alternativ möglichen Leistungen (z. B. Pflegegeld oder Pflegesachleistung gemäß §§ 36, 37 SGB XI, Kostenerstattung statt Sachleistungsgewährung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V, persönliches Budget statt Sachleistungen gemäß § 17 Abs. 2 SGB IX) erst bestimmt. Dies gehört nicht zu den Wünschen des Berechtigten, sondern zu den Antrags- und Leistungsvoraussetzungen für die konkreten Sozialleistungen.

 

Rz. 6

Den individuellen Verhältnissen kann auch nur insowei...

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