0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem SGB I durch Gesetz v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) mit Wirkung zum 1.1.1976 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift enthält einen nunmehr auch in anderen Vorschriften (z. B. § 2 Abs. 3 SGB V, § 9 SGB IX, § 9 Abs. 2 SGB XII) vorzufindenden Grundsatz, wonach auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse bei der Leistungsgewährung Rücksicht zu nehmen ist. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 27) führt zum Grund der Regelung aus, dass die Achtung vor der Menschenwürde und der Freiheit des Einzelnen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Ziel, so leistungsfähig wie möglich zu arbeiten, es der Sozialverwaltung gebieten, im Interesse der berechtigten und verpflichteten Bürger auf die Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen, sofern und soweit das Gesetz einen Handlungsspielraum lässt und diese Grundgedanken in Satz 1 und 2 konkretisiert werden. Die Vorschrift knüpfe an die Regelung des damaligen § 3 BSHG an. Im Gesetzentwurf war in Satz 2 noch vorgesehen, dass den Wünschen entsprochen werden solle, "soweit sie angemessen und vertretbar" sind. Dadurch sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass auch die Belange des zuständigen Leistungsträgers berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der Beratungen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung wurde die Formulierung "und vertretbar" gestrichen, weil man der Auffassung war, dass die Belange der zuständigen Leistungsträger bereits bei der Angemessenheit berücksichtigt werden könnten und eine darüber hinausgehende Prüfung der Vertretbarkeit nicht erfolgen solle (BT-Drs. 7/3786 S. 5).

 

Rz. 2

Die Bedeutung der Vorschrift als allgemeine Regelung wird aber zugleich dadurch erheblich eingeschränkt, dass sie überhaupt nur anwendbar ist, wenn die Leistungsgewährung oder die Verpflichtungen nicht im Einzelnen bestimmt und festgelegt sind und soweit nicht Rechtsvorschriften entgegenstehen.

 

Rz. 2a

Nach § 37 Satz 2 steht die Regelung nicht unter dem Vorbehalt für Regelungen in den anderen Büchern des SGB und den nach § 68 als solche geltenden Gesetzen. Soweit jedoch die besonderen Bücher eigene Wahl- und Wunschrechte regeln (z. B. § 7 SGB III, § 2 Abs. 3 SGB V, § 5 SGB VIII, § 9 SGB IX, § 9 Abs. 2 SGB XII), dürfte es sich um spezialgesetzliche Regelungen und Konkretisierungen der Leistungen und der Leistungserbringung nach diesen Büchern handeln, neben denen § 33 weiterhin anwendbar bleibt (so ausdrücklich § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

2 Rechtspraxis

2.1 Anwendungsbereich (Satz 1)

 

Rz. 3

Die Vorschrift setzt das Bestehen von Rechten (sozialrechtlichen Ansprüchen) oder Pflichten voraus und enthält ein Individualisierungsgebot, indem bei deren Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse, der Bedarf und die Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Unter Ausgestaltung ist dabei die Art und Weise und der Umfang der Leistungserbringung zu verstehen, also die "Wie" der Leistung. Dieses Individualisierungsgebot richtet sich einseitig allein an den Sozialleistungsträger, weil nur dieser zur Leistung und damit dessen Ausgestaltung verpflichtet und berechtigt ist. Die Regelung beinhaltet eine Verpflichtung zur Beachtung der persönlichen und örtlichen Verhältnisse (so auch Lilge, SGB I, 3. Aufl., § 33 Rz. 19; Weselski, in: jurisPK-SGB I, § 33 Rz. 10, Stand: 20.1.2014).

 

Rz. 3a

Die Vorschrift ist in ihrem Anwendungsbereich allerdings zweifach begrenzt. Sie kommt die nur zum Tragen, soweit die Rechte und Pflichten nicht bereits nach Art und Umfang gesetzlich festgelegt und begrenzt sind und soweit nicht Rechtsvorschriften entgegenstehen. Es muss also für den Sozialleistungsträger nach Art und Umfang der Rechte und Pflichten ein Handlungsspielraum zur Berücksichtigung individueller Interessen des Berechtigten bestehen.

 

Rz. 3b

Zu berücksichtigen sind die persönlichen Verhältnisse. Hierbei handelt es sich um einen sehr weiten Begriff, der die Berücksichtigung aller in der Person des Leistungsberechtigten liegenden Umstände zulässt (z. B. Alter, Geschlecht, Behinderung, Bildungsstand, Herkunft, Religion oder Weltanschauung etc.), aber auch dessen Lebensumstände (z. B. Familienstand, Wohnverhältnisse, Arbeitsplatz etc.) einschließt. Die Berücksichtigung des individuellen Bedarfs ist bezogen auf den Leistungszweck, wegen dessen die Sozialleistung zu gewähren ist, und objektiv zu bestimmen (so Weselski, in: jurisPK-SGB I, § 33 Rz. 37, Stand: 20.1.2014; Lilge, SGB I, 3. Aufl., § 33 Rz. 26; a. A. Seewald, in: KassKomm. SGB I, § 33 Rz. 15, Stand: September 2007), weil der nur subjektiv geltend gemachte Bedarf bei der Ausgestaltung der Leistung sonst als unangemessen nach Satz 2 zurückzuweisen wäre. Das Kriterium der Leistungsfähigkeit bei der Ausgestaltung von Rechten und Pflichten ist gleichfalls nach objektiven Merkmalen zu bestimmen (so auch Seewald, in: KassKomm. SGB I, § 33 Rz. 16, Stand: September 2007) und wie der Bedarf nach dem Leistungszweck zu bestimmen. Dabei ist Leistungsfähigkeit im Regelfall wohl nicht i. S. einer wirtschaftlichen Leistungsfäh...

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