Rz. 2

§ 19a verkörpert eine der größten Arbeitsmarktreformen in der Bundesrepublik Deutschland. Das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist Ausdruck der Zusammenlegung der früheren Arbeitslosenhilfe nach dem Recht der Arbeitsförderung und der früheren Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz für erwerbsfähige Hilfebedürftige und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Im Kern werden diese Personenkreise auf dem Niveau der Sozialhilfe einer Betreuung aus einer Hand zugeführt. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Frühzeitig wurden aufgrund von Verfassungswidrigkeit der Regelungen Reformgesetze erforderlich, die einerseits die Mischverwaltung bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestatten (vgl. § 91e GG) und andererseits eine transparente Bemessung der existenzsichernden Regelbedarfe gewährleisten sollen. Beide Neuregelungen sind erneut in verfassungsrechtlicher Hinsicht angegriffen.

 

Rz. 2a

Am 1.1.2023 (gefolgt von weiteren Änderungen ab 1.7.2023) sind umfassende Regelungen in Kraft getreten, durch die das Bürgergeld als Leistung zum Lebensunterhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende eingeführt wurde. Das Bürgergeld hat das frühere Arbeitslosengeld II und das frühere Sozialgeld ersetzt. Ausgehend vom bisherigen Wortlaut der Vorschrift hat der Gesetzgeber sich nicht dazu veranlasst gesehen, den Begriff des Bürgergeldes in den Wortlaut der Vorschrift aufzunehmen. Dies war auch nicht zwingend, im Hinblick auf die Angabe zur Vorschrift wäre dies aber zu begrüßen gewesen.

Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden im SGB II konkretisiert. Sie wurden nach dem Grundsatz des Forderns und Förderns konzipiert. Dementsprechend sind einerseits Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorgesehen, die auf der Seite des Förderns anzusiedeln sind. Das SGB II fordert jedoch von den Hilfebedürftigen auch aktive Mithilfe zur Beendigung der Erwerbslosigkeit als Gegenleistung.

 

Rz. 2b

Leistungsträger sind (neben anderen Dienststellen) die Agenturen für Arbeit für die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind. Die Aufgaben werden jedoch von gemeinsamen Einrichtungen wahrgenommen, die gemäß § 44b SGB II von der Bundesagentur und den kommunalen Trägern als Jobcenter gebildet werden. Daneben sind 104 Kommunen als alleinige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen worden. Sie übernehmen folglich auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit in eigener Verantwortung. 2012 ist diese sog. Option i. S. eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses von 75 % zu 25 % festgelegt worden. Die zugelassenen kommunalen Träger nehmen die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Maßgabe der §§ 6a, 6b SGB II alleine wahr.

 

Rz. 2c

Die Bundesregierung der 20. Legislaturperiode hat sich zum Ziel gesetzt, die Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Einführung eines Bürgergeldes und dazugehörigen grundlegenden Änderungen zu erneuern, und damit mehr Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen (Grundsätzliche Problem- und Zielstellung). Ziel ist demnach ein Sozialstaat, der die Bürger absichert und zugleich dabei unterstützt und ermutigt, ihre Potenziale zu entwickeln und neue Chancen im Leben zu ergreifen (Zentrales Ziel 1). Zu berücksichtigen ist, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt seit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 grundlegend geändert hat. Arbeitskräfte, insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte, werden vielerorts gesucht (Stichwort: Fachkräftemangel). Der Arbeitsmarkt ist nach Ansicht der Bundesregierung insgesamt in einer guten Verfassung. Die Zahlen zeigen demzufolge aber auch, dass Langzeitarbeitslose von der positiven Entwicklung der letzten 18 Jahre oft nicht profitieren konnten. Hinzu kommt demnach die zusätzliche Beschleunigung des strukturellen und digitalen Wandels in der Arbeitswelt durch die Corona-Pandemie. Daraus resultiert, dass Menschen ohne Berufsabschluss noch geringere Chancen auf eine nachhaltige Integration in Arbeit haben als zuvor.

 

Rz. 2d

Zentrales Ziel 2 der Einführung des Bürgergeldes ist es, gesetzliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass es Menschen im Leistungsbezug ermöglicht wird, sich stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche zu konzentrieren und sich insofern weniger um die Anforderungen aus dem Jobcenter kümmern zu müssen. Um die vertrauensvolle, transparente Zusammenarbeit zwischen Leistungsberechtigten und Jobcentern zu fördern, soll der Eingliederungsprozess mit der Einführung des Bürgergeldes weiterentwickelt werden. Die Elemente Respekt, Vertrauen und Umgang auf Augenhöhe sollen kraft Gesetzes stärker in den Fokus gerückt werden, das könnte demzufolge eine neue Vertrauenskultur ermöglichen. Zugleich will die Bundesregierung die Leistung der einzelnen Menschen, die (n...

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