Rz. 1

Der mit Einweisungsvorschriften bezeichnete Zweite Abschnitt enthält im Zweiten Titel mit den §§ 18 bis 29 Ausführungen über einzelne Sozialleistungen und zuständige Leistungsträger. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 26/27) ist dazu ausgeführt, dass die Vorschriften in engem Zusammenhang mit den §§ 13 bis 15 stehen und wie diese dazu beitragen sollen, jedem Bürger eine möglichst genaue Kenntnis des Sozialleistungssystems und der ihm zustehenden Leistungsansprüche zu verschaffen. Entsprechend ihrer Anlehnung an die vorhandene institutionelle Gliederung weisen sie nur in die Leistungen der jeweiligen Sozialleistungsbereiche ein. Dass z. B. auch Sozialleistungen anderer Bereiche der Ausbildungs- und Arbeitsförderung dienten, könne nach geltendem Recht in den Einweisungsvorschriften nicht ohne Verlust an Klarheit und Übersichtlichkeit dargestellt werden. Die Einweisung könne und wolle nicht abschließend sein. Sie beschränke sich auf die wichtigen Sozialleistungen der einzelnen Bereiche, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Die Ausdrucksweise, dass die Sozialleistungen "in Anspruch genommen werden können", solle deutlich machen, dass nach unserem heutigen Verständnis des Sozialrechts Sozialleistungen dem Einzelnen nicht "gewährt", sondern als Ausfluss des sozialen Rechtsstaates "angeboten" werden. Sie präjudizierten nicht die Frage, ob auf die Sozialleistung ein Rechtsanspruch besteht oder ob es sich um eine Ermessensleistung handelt. Dies ergebe sich ausschließlich aus § 38 und den Regelungen in den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs. Die Vorschriften gehen ausschließlich vom geltenden Recht aus. Soweit Sozialleistungen und Zuständigkeiten neu geregelt werden, sei dem nach Verabschiedung der entsprechenden Gesetze Rechnung zu tragen.

 

Rz. 2

Mit dem SGB insgesamt wollte der Gesetzgeber die bestehenden in unterschiedlichen Gesetzen geregelten sozialen Rechte in einem Gesetzbuch zusammenfassen. Solange dies jedoch noch nicht der Fall war, hatten die für sonstige Gesetze eher untypischen Einweisungsvorschriften den Zweck, dem Bürger den Zugang zu den unterschiedlichen Gesetzen und die möglichen Leistungen im Sinne einer Wegweisung zu erleichtern. Dieser Zielsetzung entsprechend waren daher in den §§ 18 bis 29 nicht nur die wesentlichen Leistungen aufgelistet, sondern durch Klammerzusätze auch das für diese Leistungen maßgebliche Gesetz und die grundlegenden Rechtsvorschriften genannt; insbesondere bei materiell-rechtlichen Gesetzen, die noch nicht Gegenstand des SGB waren oder sind.

 

Rz. 3

Diese Hinweis und Verweisungsfunktion ist durch Art. II § 15 Nr. 1, § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten – v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) mit Wirkung zum 1.7.1983 weitgehend entwertet worden, indem die Klammerhinweise auf die maßgebenden Gesetze und Rechtsvorschriften aufgehoben wurden. Ob die Einweisungsvorschriften ohnehin überflüssig waren, weil der Bürger und prinzipiell Leistungsberechtigte sich ohnehin nicht am Gesetz orientiert und dieses zur Hand nimmt (so Rode, in: BochKomm. SGB I, § 18. Rz. 3; ähnlich Lilge, SGB I, 4. Aufl., Vorbem. §§ 18 bis 20 Rz. 1), mag dabei dahinstehen. Jedenfalls führt die Streichung der Verweisung auf die die jeweiligen Leistungen regelnden Gesetze und die maßgeblichen Rechtsvorschriften, die die Anspruchsvoraussetzungen regeln, dazu, dass damit die Einweisungsvorschriften nicht mehr ihre "Wegweiserfunktion" erfüllen können und damit letztlich überflüssig werden. Insbesondere die fehlende Verweisung auf die maßgeblichen Gesetze, die nunmehr allenfalls in einigen Vorschriften noch mittelbar in den jeweiligen Abs. 2 und den dortigen Verweisungen auf die nach bestimmten Gesetzen zuständigen Behörden erkennbar sind, hindern den Bürger in der Möglichkeit, die gesetzlichen Regelungen, die ihn betreffen oder interessieren, im Gesetz selbst aufzufinden, wie dies ursprünglich beabsichtigt war (vgl. BT-Drs. 7/868 S. 26). Ob dies wegen des bei Verabschiedung des SGB I bekannten gesetzgeberischen Aufwands bei Rechtsänderungen (so die Begründung zur Streichung der Klammerverweise in BT-Drs. 9/1753 S. 47) gerechtfertigt war, erscheint eher zweifelhaft.

 

Rz. 3a

Die Streichung der Klammerzusätze hätte zur Folge gehabt, dass bei Änderungen des Inhalts der maßgeblichen Leistungsgesetze die in den Einweisungsvorschriften genannten Verweise auf konkrete Leistungen überprüft und ggf. den geänderten Gesetzen angepasst werden müssten, worauf bereits in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 26/27) hingewiesen worden war, was den Aufwand der Gesetzesänderungen im SGB I insgesamt in Grenzen gehalten hätte.

 

Rz. 3b

Mit der Streichung der Klammerzusätze sind jedoch erkennbar die Einweisungsvorschriften gänzlich aus dem Blickfeld des Gesetzgebers geraten. So sind Leistungen der künstlichen Befruchtung nach § 27 a SGB V durch das KOV-Anpassungsgesetz v. 26.6.1990 (BGBl. I S. 1211) rückwirkend ab 1.1.1989 in das Leistungssystem der Kran...

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