Rz. 15

Auch für den gerichtlichen Verfahrensgegenstand hat Abs. 2 Konsequenzen:

 

Rz. 16

Eine Entscheidung in der Sache ist nur möglich, wenn ein Vorverfahren nach Abs. 2 stattgefunden hat (vgl. BVerwG, FEVS 19 S. 81). § 116 eröffnet damit zwar keine isolierte Klage(-befugnis) auf Erlass eines formell ordnungsgemäßen Widerspruchsbescheides (BayVGH, ZfSH/SGB 2000 S. 729). Jedoch liegt bei Verletzung des Abs. 2 ein wesentlicher Verfahrensmangel vor und das Gericht muss allein schon deshalb den Widerspruchsbescheid aufheben, und zwar jedenfalls dann, wenn die Klage auf die Aufhebung des Ursprungsverwaltungsaktes und des Widerspruchsbescheides abzielte; die Klage gegen den Ursprungsverwaltungsakt kann dann ohne Sachprüfung allein schon mangels Spruchreife abgewiesen werden (OVG Saarland, FEVS 38 S. 190).

 

Rz. 17

Dies gilt nur dann nicht, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Für diesen Fall greift § 42 SGB X ein(so auch Conradis, in: LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 116 Rz. 18; offen gelassen in BVerwG, FEVS 34 S. 89; differenzierend: Schütze, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 42 Rz. 4; anders die frühere Rechtsprechung des BVerwG, die noch vor Inkrafttreten des SGB X ergangen war: BVerwG, Urteil v. 13.1.1983, 5 C 114/81). Daher fehlt für eine lediglich auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtete Klage bei gebundenen Entscheidungen in Sozialhilfesachen das Rechtsschutzbedürfnis (OVG Nordrhein-Westfalen, FEVS 52 S. 158).

 

Rz. 18

Ferner spielt Abs. 2 für den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens in zeitlicher Hinsicht eine bestimmende Rolle: Sowohl bei der späteren gerichtlichen Verfolgung eines Anspruchs auf eine einmalige Sozialhilfeleistung wie bei der Verfolgung von Ansprüchen auf laufende Sozialhilfeleistungen ist zulässiger Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung nämlich lediglich die Zeit bis zum Erlass des letzten, einem Vorverfahren nach Abs. 2 zugeführten Bescheides (OVG Nordrhein-Westfalen, ZfSH 1981 S. 221). Einer Untätigkeitsklage steht § 116 allerdings nicht entgegen (OVG Bremen, FEVS 13 S. 379).

 

Rz. 19

Wird die Klage im Berufungsverfahren (klageändernd) auf spätere Zeiträume erstreckt, ist ein darauf ergehendes Urteil des Berufungsgerichts ein erstinstanzliches Erkenntnis-, nicht ein Berufungsurteil. Mit Blick auf § 96 SGG ist der Auffassung des VG Saarland, das meint, auch dann noch müsse vor einer gerichtlichen Sachentscheidung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden (VG Saarlouis, Urteil v. 8.1.2007, 3 K 419/06), nicht zuzustimmen.

 

Rz. 20

Die Verletzung des § 116 ist im Übrigen bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (vgl. OVG Saarland zu § 155 Abs. 5 VwGO, FEVS 38 S. 190).

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