Rz. 4

Als Rechtsfolge der Unterbringung in einer anderen Familie ordnet § 107 zunächst an, dass § 98 Abs. 2 (örtliche Zuständigkeit) entsprechend gilt. Die Vorschrift enthält damit – schon dem Wortlaut nach – eine Kompetenzregelung und ist nicht etwa wegen der systematischen Stellung im Kapitel 13 (Kosten) auf die Kostenerstattung beschränkt (so aber Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, 6. Aufl. (2018), SGB XII, § 107 Rz. 7, wonach der Träger, in dessen Zuständigkeitsbereich der gewöhnliche Aufenthalt liegt, erstattungspflichtig, aber nicht für die Leistung zuständig werde). Für die hier vertretene Ansicht sprechen entscheidend auch Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn das Regelungsziel besteht in der Vermeidung von Kostenerstattungsfällen. Dieses soll erreicht werden, indem Zuständigkeit und Kostentragungspflicht in einer Hand sind: Derjenige ist nach § 98 Abs. 2 Satz 1 bzw. 2 für die Leistung zuständig, der auch die Kosten zu tragen hat. Wäre demgegenüber für die Leistung der Sozialhilfeträger am tatsächlichen Aufenthaltsort nach § 98 Abs. 1 zuständig und würde § 107 nur die Kostenerstattung entsprechend § 106 regeln, also zulasten des Sozialhilfeträgers am Herkunftsort, so würde eine Vielzahl von Kostenerstattungsfällen produziert, da dann Zuständigkeits- und Kostenerstattungsregelung auseinanderfielen (BVerwG, Urteil v. 17.3.2003, 5 C 14/02; VGH Bayern, Beschluss v. 2.8.2001, 12 B 98.763).

 

Rz. 5

Im Falle der Familienpflege ist nach § 98 Abs. 2 Satz 1 der örtliche Sozialhilfeträger zuständig, bei dem das Kind zum Zeitpunkt der Unterbringung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat bzw. in den letzten beiden Monaten gehabt hat. Beim Übertritt aus einer Einrichtung bzw. anderen Familienpflege bestimmt sich nach § 98 Abs. 2 Satz 2 der gewöhnliche Aufenthalt nach dem Aufenthalt, der für die erste Einrichtung bzw. Familienpflege maßgebend war. Nur dann, wenn der Herkunftsort nicht oder nicht rechtzeitig (Eilfall oder 4-Wochen-Frist) ermittelt werden kann, ist bis zur Ermittlung des Herkunftsortes der Sozialhilfeträger am Unterbringungsort vorläufig eintrittspflichtig. Lässt sich der Herkunftsort nicht ermitteln, ist der Sozialhilfeträger am Unterbringungsort endgültig zuständig (§ 98 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1). Für den Fall einer Geburt während der Unterbringung in einer anderen Familie etc. bestimmt sich die Zuständigkeit gemäß § 98 Abs. 3 Satz 4 nach dem Herkunftsort der Mutter (vgl. dazu insgesamt § 98).

 

Rz. 6

Die vorbeschriebene Zuständigkeit gilt für alle Leistungen nach SGB XII, die der untergebrachten Person zu gewähren sind. Sie ist nicht etwa beschränkt auf die Gewährung stationärer Leistungen in Form der Unterbringung und setzt auch nicht voraus, dass solche Leistungen bewilligt wurden. Das folgt schon daraus, dass § 107 vom Wortlaut her die Zuständigkeit allein an den Umstand der tatsächlichen Unterbringung eines Kindes etc. knüpft, also ungeachtet ihres sozialhilfe-, jugendhilfe- oder familienrechtlichen Grundes (BVerwG, Urteil v. 17.3.2003, 5 C 14/02); die Vorschrift bestimmt nicht, dass für die Unterbringung die Zuständigkeitsregelung in § 98 Abs. 2 entsprechend gilt (vgl. oben Rz. 3). Für eine umfassende Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers am gewöhnlichen Aufenthaltsort sprechen auch Sinn und Zweck dieser Regelung. Denn für Kinder und Jugendliche, die i. S. v. § 107 außerhalb des Elternhaushaltes untergebracht sind, soll der Träger ihres vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes zuständig (BT-Drs. 12/5930 S. 5) und damit auch kostentragungspflichtig bleiben. In Fällen der Familienpflege werden so ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für Sozialhilfemaßnahmen in dieser Zeit vermieden und Sozialhilfeträger weiterhin vor Kostenbelastungen durch Familienpflege in ihrem Bereich von Kindern und Jugendlichen aus anderen Zuständigkeitsbereichen geschützt (BVerwG, Urteil v. 17.3.2003, a. a. O.; a. A. VG Lüneburg, Urteil v. 29.7.2003, 4 A 251/02).

Leistungen nach SGB XII sind freilich nur zu gewähren, soweit nicht vorrangige Konkurrenzregelungen einschlägig sind. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Vorrang der Kinder- und Jugendhilfeleistungen nach § 10 Abs. 2 SGB VIII zu beachten. Danach gehen Leistungen nach dem SGB VIII solchen nach dem SGB XII vor, es sei denn, dass es sich um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, handelt. Letzteres ist nicht der Fall, wenn die Familienpflege des behinderten Kindes beispielsweise ohne spezifische heilpädagogische Intention ausschließlich dem Zweck dienen soll, dem Kind das Aufwachsen in einer Familie zu ermöglichen, wenn der Mutter des Kindes aus psychischen Gründen die Bereitschaft dazu fehlt, die ihr objektiv möglichen, besondere Kenntnisse und Fähigkeiten nicht voraussetzenden Betreuungs- und Erziehungsleistungen auch tatsächlich zu erbringen. In diesem Fall liegt eine Leistung der Kinder- und Jugen...

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