Rz. 29

Satz 2 ordnet an, dass als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe die in Satz 1 genannten Fachkräfte zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen sollen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthalten muss.

Beteiligte des Hilfeplanverfahrens auf Leistungsempfängerseite sind neben dem Kind oder dem Jugendlichen auch Personensorgeberechtigte – also insbesondere die Eltern (zur Beteiligung des betroffenen Kindes bzw. des betroffenen Jugendlichen und dessen Personensorgeberechtigte bei der Auswahl einer Einrichtung vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.1.2017, 12 E 914/16). Die zur Personensorge berechtigten Eltern haben zumindest ein Recht auf Beteiligung an der Hilfeplanung, soweit deren Beteiligung nicht das Wohl des Kindes oder anderer an der Hilfeplanung zu beteiligender Personen gefährdet. Dabei ist zu berücksichtigten, dass eine Beschränkung des Umgangsrechts für längere Zeit oder auf Dauer nach § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB nur dann möglich ist, wenn anderenfalls das Kindeswohl gefährdet ist.

Nicht zu beteiligen sind daher Eltern, denen ausdrücklich das Recht zur Teilnahme an der Hilfeplanung entzogen worden ist (vgl. insgesamt DIJuF-Rechtsgutachten v. 20.2.2018, SN_2017_1147 Bm, JAmt 2018, 329).

 

Rz. 30

Gegenstand des Hilfeplans ist daher nach der gesetzgeberischen Intention nur die Hilfeartentscheidung. Nur die Hilfeartentscheidung im Hilfeplanverfahren setzt den Hilfeplan nach § 36 Abs. 2 Satz 2 voraus und ist damit zwingende Voraussetzung. Damit ist Voraussetzung für die Notwendigkeit der Erstellung eines Hilfeplans auch, dass eine Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist; § 36 Abs. 2 Satz 1 (so i.E. Münder, § 36 SGB VIII, Rz. 49; zum unbestimmten Rechtsbegriff "längere Zeit" s. o. Rz. 14.

 

Rz. 31

Allerdings ist das Aufstellen eines schriftlichen Hilfeplans nicht zwingende Voraussetzung für die Hilfegewährung, denn nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII "sollen" die hieran Beteiligten einen Hilfeplan aufstellen (vgl. bereits oben Rz. 3 und Komm. zu § 35a Rz. 24; BVerwG, Urteil v. 24.6.1999, 5 C 24/98 Rz. 39; Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 11.6.2008, 4 ME 184/08, mit weiteren Erwägungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO; Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 8.5.2008, 4 LA 128/07; VG Aachen, Beschluss v. 17.12.2010, 2 L 328/10, LS 1 und Rz. 17; das Gesetz macht keine Angaben, darauf weist auch hin: v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 36 Rz. 29).

 

Rz. 32

Zwingende Bestandteile des Hilfeplans sind Feststellungen über den Bedarf, zu der zu gewährenden Art der Hilfe und zu den notwendigen Leistungen (Winkler, in: BeckOK, SGB VIII, Stand: 1.12.2022, § 36 Rz. 13). Grundelemente des Hilfeplans sind daher u. a. die Erfassung der Ziele und konkreten Aufgaben, die mit der Hilfe erreicht werden sollen, der erzieherische Bedarf, die bisher geleisteten Hilfen sowie Vorschläge für geeignete Hilfen, deren Beginn, Dauer und Intensität (zum Inhalt des Hilfeplans vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.2.2012, 12 A 1263/11, LS 4 und Rz. 9; Übersicht auch bei Münder, § 36 SGB VIII, Rz. 57; und bei Wiesner, § 36 SGB VIII, Rz. 58; Stähr, in: Hauck/Noftz, Stand: 07/2022, § 36 SGB VIII, Rz. 35 f.). Der Hilfeplan kann nur vom Jugendamt erstellt werden, die Aufgabe kann nicht an einen freien Träger delegiert werden (Münder, § 36 SGB VIII, Rz. 50). Es besteht eine Mitteilungspflicht des Jugendhilfeträgers gegenüber dem Leistungsberechtigten. Die notwendigen Bestandteile des Hilfeplans sind im Rahmen der Mitwirkung dem Leistungsberechtigten mitzuteilen. Diese besonderen Ausprägungen der Begründungs- und Anhörungspflicht verdrängen insoweit die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften i. S. d. § 24 SGB X, der die Anhörung regelt, und i. S. d. § 35 SGB X, der die Begründungspflicht regelt.

 

Rz. 33

Zur Rechtsnatur des Hilfeplans: Der Hilfeplan hat keinen Verwaltungsaktscharakter (zutreffend Hess. VGH, Beschluss v. 6.11.2007, 10 TG 1954/07, Rz. 4); er bereitet vielmehr die Hilfeartentscheidung lediglich vor, ist daher eher dem schlichten Verwaltungshandeln (also Realakt) zuzuordnen und ist folglich auch nicht isoliert anfechtbar, sondern kann erst mit der Hilfeartentscheidung selbst angegriffen werden (vgl. oben Allgemeines; vgl. stellv. VG München, Urteil v. 18.2.2009, M 18 K 08.1445; so auch Wiesner, § 36 SGB VIII, Rz. 61; Münder, § 36 SGB VIII, Rz. 53; Weber/Franzki, Der Hilfeplan nach § 36 II SGB VIII – Bedeutung und Rechtsnatur, ZKJ 2009, 394; v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 36 Rz. 31; Winkler, in: BeckOK, SGB VIII, Stand: 1.12.2022, § 36 Rz. 15). Der Hilfeplan ist daher Gegenstand der behördlichen Verfahrenshandlung und damit Gegenstand des Verwaltungsverfahrens. Ein einmal aufgestellter Hilfeplan entfaltet keine Wirkung für alle Zeit. Er unterlieg...

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