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Gerade in den Fällen, in denen etwa eine Fremdunterbringung geboten ist, wird es häufig vorkommen, dass die Personensorgeberechtigten mangels Akzeptanz keinen Antrag auf notwendige Hilfe (etwa nach § 33 oder § 34) stellen. Gegen den ausdrücklichen Willen des Personensorgeberechtigten darf eine Hilfe jedoch nicht geleistet werden. Hierin liegt eine Verletzung des Elternrechtes (BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, 5 C 6/00). Um einer akuten Gefahr für das Kindeswohl begegnen zu können, steht dem Jugendamt zwar das Instrumentarium der Inobhutnahme (§ 42) zur Verfügung. Eine dauerhafte Sicherstellung der Rechtmäßigkeit von Hilfsmaßnahmen macht jedoch einen familiengerichtlichen Eingriff in die elterliche Sorge erforderlich. Hierzu müssen die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666a BGB vorliegen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit prüft das Familiengericht vor dem Entzug der kompletten elterlichen Sorge und Einrichtung einer (Amts-)Vormundschaft, ob nicht ein teilweiser Entzug der wichtigsten Sorgerechtsbereiche und die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB ausreichend ist. Auch insoweit kommt die Einrichtung einer Amtspflegschaft in Betracht, daneben auch eine Vereinspflegschaft oder eine Einzelpflegschaft. Eine Inobhutnahme erledigt sich spätestens, wenn das Amtsgericht – Familiengericht – mit Beschluss den Kindeseltern die elterliche Sorge für das Kind für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Umgangsbestimmungsrecht, das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, und für die Gesundheitsfürsorge vorläufig entzieht und zugleich eine Ergänzungspflegschaft anordnet sowie einen Ergänzungspfleger bestellt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 9.5.2023, 12 B 218/23). Damit die erforderlichen Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können, sind mindestens die Übertragung des Aufenthaltbestimmungsrechtes und des Rechtes, Hilfe zur Erziehung zu beantragen, vonnöten (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 23.3.2000, 2 UF 140/99; BVerwG, Urteil v. 21.6.2001, 5 C 6/00). Für die Praxis und um ein einheitliches Handeln zugunsten des Kindes zu gewährleisten, ist für den Ergänzungspfleger zusätzlich die Übertragung etwa auch der Gesundheitsfürsorge und des Rechtes zur Bestimmung schulischer Angelegenheiten bzw. von Kindergartenangelegenheiten, ggf. auch weiterer Teilbereiche sinnvoll. Ein familienrechtliches Vorgehen wird auch erforderlich sein, wenn ein Antrag zunächst gestellt, dann aber zurückgenommen wird. Teilweise vertritt die Rechtsprechung hierzu die Auffassung, die Rücknahme eines Antrages auf Hilfe könne rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sein (OVG Lüneburg, Urteil v. 26.3.1997, 4 L 7121/96). Eine bloße Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB ist nicht ausreichend, um einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung stellen zu können. Denn diese schränkt ausschließlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht ein, § 1632 Abs. 1 BGB. Die Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen setzt daneben mindestens noch den Entzug des Rechts, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, voraus (BVerwG v. 21.6.2001, 5 C 6.00).

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