Rz. 21

In Abs. 3 Satz 1 ist der Rechtsanspruch jedes Kindes ab drei Jahren bis zum Schuleintritt auf einen Platz in einer Tageseinrichtung verankert. Anspruchsgegner sind zwingend die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Verfassungsgericht Brandenburg, Urteil v. 20.3.2003, VfGBbg 54/01).

2.3.1 Aktivlegitimation

 

Rz. 22

Anspruchsinhaber des Rechtsanspruchs auf Verschaffung eines Platzes in einer Tageseinrichtung ist das minderjährige Kind, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter. Dies schließt grundsätzlich auch (sofern nicht abweichende landesrechtliche Regelungen bestehen, vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 9.12.2005, 12 ME 422/05) behinderte Kinder ein. Vgl. zur Bedarfsdeckung behinderter Kinder in Tageseinrichtungen die Komm. zu § 22 a Rz. 23.

2.3.2 Anspruchsinhalt

 

Rz. 23

Abs. 3 Satz 1 ist fast wortgleich mit Abs. 1 Satz 1 i. d. F. des 2. SGB VIII-ÄndG v. 15.12.1995. Lediglich das Wort "Kindergarten" wurde durch das Wort "Tageseinrichtung" ausgetauscht. Unter den Oberbegriff der Tageseinrichtung fallen nicht nur Kindergärten, sondern beispielsweise auch Kinderhorte und Kinderhäuser (vgl. auch die Komm. zu § 22 Rz. 5 ff.). Allerdings ist der Begriff nicht abschließend, so dass auch Neuentwicklungen der Kinderbetreuung in Gruppen hiervon erfasst werden.

2.3.2.1 Wahlrecht

 

Rz. 24

Der Rechtsanspruch aus Abs. 3 Satz 1 ist gerichtet auf Verschaffung eines Platzes in einer Tageseinrichtung aus einem bedarfsgerechten Angebot. Der Leistungsanspruch ist, anders als die auf den Einzelfall zugeschnittene Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff., nur auf ein Regelangebot ausgerichtet. § 23 Abs. 3 vermittelt keinen Anspruch auf eine individualisierte Leistung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.8.2013, 12 A 55/13 Rz. 5). Gleichwohl ist das Angebot nur dann bedarfsgerecht, wenn es plural ist, d. h. die Möglichkeit einräumt, das von den Erziehungsberechtigten präferierte Erziehungsmodell zu verwirklichen. Dies folgt aus dem durch § 5 garantierten Wunsch- und Wahlrecht (OVG Saarland, Beschluss v. 16.12.1997, 4 F 87/97; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 6.4.1999, 15 B 18/99). Dabei bezieht sich das Wahlrecht nicht nur auf Einrichtungen verschiedener Träger, sondern auch auf verschiedene Einrichtungen des gleichen Trägers (VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 19.8.1997, 7 L 1638/97). Allerdings wird das Wahlrecht durch immanente Schranken begrenzt. So kann es sich nur auf Einrichtungen beziehen, deren Inanspruchnahme durch den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe tatsächlich durchsetzbar ist (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 6.4.1999, 15 B 18/99; OVG Hamburg, Beschluss v. 5.2.1999, 4 BS 9/99). Bei Finanzierung durch öffentliche Kassen wird das Wahlrecht ferner dann eingeschränkt, wenn hierdurch unverhältnismäßige Kosten ausgelöst werden, wenn also die Mehrbelastung der öffentlichen Kassen durch die getroffene Auswahl der Einrichtung nicht mehr in einem rechtlichen Verhältnis steht zum Gewicht der hierfür angeführten Gründe (so auch VG Ansbach, Urteil v. 4.10.2007, AN 14 K 06.01132). Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten schafft allerdings keinen Anspruch auf neue Dienste und Einrichtungen und damit auf die Erweiterung des vorgehaltenen Angebots, sondern ist auf das tatsächlich vorgehaltene Angebot beschränkt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.8.2013, a. a. O., Rz. 9).

2.3.2.2 Räumliche Entfernung zum Wohnort

 

Rz. 25

Der Anspruch nach Abs. 3 Satz 1 beschränkt sich nicht auf die in Wohnnähe bestehenden Einrichtungen. Vielmehr kann auch eine Einrichtung im Bereich eines anderen örtlich zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewählt werden, etwa weil diese sich in Arbeitsplatznähe des Erziehungsberechtigten befindet oder ein besonderes pädagogisches Konzept verfolgt (OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 17.1.2001, 2 L 102/99). Die Grenze des Rechtsanspruchs ist dort zu sehen, wo durch die Inanspruchnahme einer auswärtigen Tageseinrichtung unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen, vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1. Teils wird dies bereits für den Fall bejaht, dass der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe die finanziellen Mittel bereits für Einrichtungen im eigenen Einzugsbereich vorgesehen hat (VG Hamburg, Beschluss v. 3.4.2001, 13 VG 2501/00). Hierzu bestimmt nunmehr § 69 Abs. 5, dass für die Aufnahme gemeindefremder Kinder in einer Tageseinrichtung ein angemessener Kostenausgleich sicherzustellen ist. Zudem endet der Rechtsanspruch aber auch dort, wo die Zahl der Plätze einer Einrichtung nur für ortsansässige Kinder ausreicht (VGH München, Beschluss v. 31.8.1999, 7 ZS 99.2168).

 

Rz. 26

Abs. 3 Satz 1 trifft keine nähere Bestimmung zur konkreten Ausgestaltung des zu beanspruchenden Platzes wie etwa Entfernung zum Wohnort, Gruppengröße etc. Hier verbleibt Raum für eine landesrechtliche Ausgestaltung gemäß § 26. Allerdings ist die Wohnortnähe ein allgemeines Prinzip der Jugendhilfe, vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1, so dass im Regelfall ein Anspruch auf einen Platz in der nächstgelegenen Einrichtung besteht (so auch VG Göttingen, Beschluss v. 21.8.1998, 2 B 2297/98). Welche Entfernung im Einze...

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