Rz. 10

Abs. 2 gewährleistet seit dem 1.8.2013 einen subjektiven Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Hinsichtlich der Begriffsbestimmungen Tageseinrichtungen und Kindertagespflege vgl. die Kommentierung zu § 22 Rz. 5 ff. und Rz. 16 ff. Auf der Tatbestandsseite enthält die Vorschrift lediglich die Voraussetzung, dass es sich um ein Kind handeln muss, welches das erste, aber noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet hat. In der Rechtsfolge sieht die Vorschrift eine gebundenen Anspruch vor ("hat… Anspruch auf"). Gleichwohl bringt die Regelung Auslegungsschwierigkeiten mit sich. So sind insbesondere Inhalt und Umfang des Anspruchs sowie das Verhältnis der Förderung in einer Tageseinrichtung zu der Förderung in Kindertagespflege problematisch (vgl. dazu Rz. 14 ff.). Im Mittelpunkt der jüngeren rechtswissenschaftlichen Diskussion um die Vorschrift in ihrer Fassung nach dem 1.8.2013 steht vor allem die Frage nach möglichen Ersatz- und Sekundäransprüchen in dem Fall, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Ansprüche nicht erfüllen können (vgl. dazu Rz. 41 f. und 43 ff.).

 

Rz. 11

Der Vorschrift lässt sich kein impliziter Kapazitätsvorbehalt, der Kommunen einen Einwand kommunalen Unvermögens eröffnen würde, entnehmen (so aber Pauly/Beutel, DÖV 2013 S. 445). Dabei vermag die Überlegung, dass dem Anspruch ein zuteilungsfähiges Substrat fehle, wenn keine Kapazitäten zur Verfügung stünden, nicht zu überzeugen. Denn diese These findet ihre Begründung einzig in der Behauptung, dass "rechtliche Anspruchspositionen (…) traditionell auf bestehende Kapazitäten" begrenzt seien (Pauly/Beutel, a. a. O., S. 447), ohne dass Belege für diese Aussage angeführt würden. Eine solche Lesart würde den Anspruch entwerten, denn dann hätte es der Anspruchsgegner in der Hand, durch eine Reduzierung der Kapazitäten den Anspruch zu begrenzen, um sich so etwaigen Sekundäransprüchen zu entziehen. Schließlich verfängt auch das Argument nicht, das Gesetz hätte bei einer Anspruchseinräumung die Formulierung "jedes Kind" verwenden müssen, statt der gewählten Formulierung "ein Kind, das" (Pauly/Beutel, a. a. O., S. 447). Denn zum einen ist nicht ersichtlich, warum die Verwendung des unbestimmten Artikels eine Anspruchsbegründung dem Wortsinn nach ausschließen sollte. Zum anderen geht die Gesetzesbegründung eindeutig von der Einräumung eines Rechtsanspruchs aus (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 15). Im Ergebnis kann ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe damit einem Anspruch nicht entgegenhalten, es stünde kein Platz zur Verfügung, da die Kapazitäten erschöpft seien (so auch Kaiser, in: LPK, § 24 Rz. 12; Lakies, in: FK, § 24 Rz. 67; Grube, in: Hauck/Noftz, § 24 Rz. 40; Mayer, VerwArch 2013 S. 344, 351; Rixen, in: juris-PK, § 24 Rz. 17; ders., NJW 2012 S. 2839; Schübel-Pfister, NVwZ 2013 S. 385, 387; vgl. auch BVerfG, Urteil v. 21.7.2015, 1 BvF 2/13 Rz. 43, welches anführt, dass § 24 Abs. 2 einen einklagbaren Anspruch auf einen Betreuungsplatz enthalte, der nicht unter Kapazitätsvorbehalt gestellt sei, weshalb das Betreuungsgeld von vornherein nicht auf die Schließung einer Verfügbarkeitslücke gerichtet sei).

2.2.1 Aktivlegitimation

 

Rz. 12

Nach dem Wortlaut des Abs. 2 Satz 1 ist Inhaber des Anspruchs das "Kind". Das OVG Rheinland-Pfalz ist im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Kostenersatz für die Selbstbeschaffung eines Kindergartenplatzes davon ausgegangen, dass Anspruchsinhaber des landesrechtlichen Primäranspruchs neben dem Kind, über den Wortlaut hinaus auch die Sorgeberechtigten seien (Urteil v. 25.10.2012, 7 A 10671/12 Rz. 41; vgl. die Anm. von Schmitt/Wohlrab, KommJur 2013 S. 18). Zur Begründung führte der Senat an, dass der Zweck der Betreuung neben den Kindern auch die Sorgeberechtigten begünstige. Weiterhin hob der Senat auf die Beratungspflicht in § 24 Abs. 4 a. F. ab (§ 24 Abs. 5 n. F.), die sich an die Eltern richte. Das BVerwG hob in der anschließenden Revisionsentscheidung hervor, dass Anspruchsinhaber des Anspruchs aus § 24 Abs. 1 a. F. nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich und allein das Kind sei (Urteil v. 12.9.2013, 5 C 35/12 Rz. 47). Auch im Rahmen des Abs. 2 Satz 1 ist für eine über den Wortlaut hinausgehende Erweiterung der Anspruchsinhaberschaft auf die Personensorgeberechtigten, wie sie vom OVG Rheinland-Pfalz vorgenommen wurde, kein Raum. Inhaber des subjektiven Rechtsanspruchs, ist lediglich das Kind, das regelmäßig von seinen Sorgeberechtigten vertreten wird (vgl. Riehle, in: Krug/Riehle, § 24 Rz. 33; Schübel-Pfister, NJW 2014 S. 1216; Schewe, NZFam 2015 S. 697, 699; Lakies, in: FK, § 24 Rz. 67; Struck, in: Wiesner, § 24 Rz. 16). Hierfür spricht insbesondere die Systematik des SGB VIII, die konsequent zwischen Rechtsansprüchen des Kindes und der Personensorgeberechtigten unterscheidet (vgl. Schübel-Pfister, NVwZ 2013 S. 385). In einer jüngeren Entscheidung hat das OVG Rheinland-Pfalz diese Rechtsprechung aufgegeben und erblickt in § 5 Abs. 1 KitaG keine eigenständige...

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