0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.1.1997 durch Art. 1 § 90 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) geschaffen. Er entspricht § 575 und § 577 Abs. 3 und 4 RVO. Durch das 7. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) wurde die Regelung mit Wirkung zum 1.1.2021 vollständig neu gefasst.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach Schul- oder Berufsausbildung war bisher in § 90 geregelt. Die praktische Umsetzung der Vorschrift war für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nicht selten mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden. Demgegenüber ist die Regelung nun erheblich einfacher zu handhaben. Es kann in Einzelfällen vorkommen, dass eine Neufestsetzung des JAV gleichermaßen wie eine Erstfestsetzung gemäß §§ 82 bis 86 die Versicherten in nicht hinnehmbarer Weise benachteiligt oder bevorteilt. Beides soll durch die Vorschrift vermieden werden.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 3

Die ehemalige Billigkeitsregelung bei der Neufestsetzung des JAV ist nicht mehr anzuwenden, auf deren Basis der Unfallversicherungsträger häufig nur grob prognostizierte Entscheidungen treffen konnte, um die unterschiedlichen denkbaren beruflichen oder sozialen Entwicklungen des Verunfallten zu erfassen. Dem entsprechend war aus Sicht des Gesetzgebers nicht selten ein Mangel an Zielgenauigkeit zu verzeichnen. Denn bei der Ermittlung eines fiktiven, aber möglichst konkreten Ausbildungs- und Berufsverlaufs ergeben sich erhebliche praktische Probleme. Dies zeigt sich vor allem bei Versicherungsfällen zu Zeitpunkten, in denen eine Berufswahl noch in weiter Zukunft liegt. Künftig zu erwartende Verdienstmöglichkeiten insbesondere nach Abschluss eines Studiums oder bei der Ermittlung des maßgeblichen fiktiven JAV aus einer Vielzahl unterschiedlich strukturierter Tarifverträge weichen meist erheblich von denen im Zeitpunkt der Prognose des Unfallversicherungsträgers ab.

 

Rz. 4

Verfahrensvereinfachend haben sich die Unfallversicherungsträger nunmehr lediglich bei der Neufestsetzung des JAV an der Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV zu orientieren. Die Bezugsgröße i. S. d. Vorschrift ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorangegangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächst höheren, durch 420 teilbaren Betrag.

Die Bezugsgröße liegt 2023 für die alten Bundesländer bei 40.740,00 EUR jährlich (3.395,00 EUR monatlich). Für das Beitrittsgebiet liegt sie bei 39.480,00 EUR jährlich (3.290,00 EUR monatlich). Der Höchst-JAV liegt 2023 bei 81.480,00 EUR (2-fache der Bezugsgröße der alten Bundesländer). Dieser kann gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 in der Satzung höher bestimmt werden; vgl. insoweit die Komm. in Rz. 8 und 9 zu § 85.

 

Rz. 4a

Abs. 1 regelt den Versicherungsfall während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag. Der Begriff Berufsausbildung ist definiert im Berufsbildungsgesetz. Danach hat die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen. Von der Berufsausbildung umfasst wird die Berufsausbildungsvorbereitung, die berufliche Fortbildung sowie die berufliche Umschulung. Letztere soll zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen.

 

Rz. 4b

Der Begriff der Berufsausbildung i. S. v. Abs. 1 Satz 1 erfasst nicht nur eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf, sondern auch Berufe bei denen die Ausbildung nicht oder nur rudimentär normiert ist (BSG, Urteil v. 4.12.1991, 2 RU 69/90; BSG, Urteil v. 7.11.2000, B 2 U 31/99 R). Schließlich kann für den Anspruch auf Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung lediglich entscheidend sein, dass der Ausbildungsabschluss geeignet ist, die künftige wirtschaftliche Existenz der Verletzten zu sichern.

 

Rz. 4c

Vor Vollendung des 25. Lebensjahres unterscheidet der Gesetzgeber nicht zwischen der Ausbildung an einer Hochschule oder Fachhochschule und der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz hinsichtlich der Höhe des neu festzusetzenden JAV (75 %).

 

Rz. 4d

Die genannten Fristen kommen nicht zur Anwendung, wenn die Berufsausbildung auch ohne den Versicherungsfall keinen regelmäßigen Verlauf genommen hätte. Hier sind Ermittlungen der Unfallversicherungsträger hinsichtlich eines fiktiven Ausbildungsverlaufs wieder notwendig.

 

Rz. 5

Abs. 2 regelt den Versicherungsfall während Schul- und Berufsausbildung nach dem 30. Geburtstag. Das unter Rz. 4d Gesagte gilt auch hier.

 

Rz. 6

Abs. 3 regelt den Versicherungsfall während einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung nach Vollendung des 30. Lebensjahres. Das unter Rz. 4d und 5 Gesagte gilt auch hier.

 

Rz. 7

In Abs. 4 wird klargeste...

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