Rz. 12

Abs. 1 Nr. 2 enthält in seinem 2. HS 2 Ausnahmen von der Versicherungsfreiheit/dem Grundsatz des Vorrangs der Versorgung. Obwohl grundsätzlich eine Versorgungsregelung eingreift, soll zugunsten der Verletzten der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung eingreifen. Nr. 2 Buchst. a lässt die Versicherungsfreiheit entfallen, wenn der Arbeitsunfall die Folge eines früheren Versorgungsfalles ist. Die Vorschrift enthält eine politische Entscheidung. Eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern wegen versorgungspflichtiger Vorschäden soll ausgeschlossen werden, deshalb soll in diesen Fällen mittelbarer Schädigung der Verletzte nicht auf die geringeren Versorgungsleistungen verwiesen werden, sondern die im Regelfall höheren Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung erhalten (BT-Drs. 13/2204 S. 76). Gleichzeitig ruhen die Ansprüche nach dem BVG gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG, um eine Doppelleistung zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil v. 27.3.1980, 10 RV 3/79, BSGE 50 S. 80, und BSG, Urteil v. 20.4.1993, 2 RU 35/92, SozR 3-2200 § 541 Nr. 3). Jedoch kein Ruhen der Versorgungsleistungen als Gewaltopfer, wenn Mehrleistungen für Nothelfer aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus demselben Grund gewährt werden (BSG, Urteil v. 15.8.1996, 9 RVg 5/94, SozR 3-3100 § 65 Nr. 3 = Breithaupt 1997 S. 251).

 
Praxis-Beispiel

Ein Verkäufer stürzt die Treppe hinab, während er Ware aus dem Lager holt, weil eine wehrdienstbedingte Gehbehinderung rechtlich wesentlich mitwirkt.

 

Rz. 13

Nr. 2 Buchst. b ist neu eingefügt worden. Er erfasst die Fälle, die zugleich Arbeitsunfälle und Folge einer Schädigung durch nachträgliche Auswirkungen einer kriegsbedingten Gefahr i. S. d. § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG sind (zur Explosion von Sprengkörpern als unmittelbare Kriegseinwirkung i. S. d. BVG: BSG, Urteil v. 18.6.1996, 9 RV 24/94, SozR 3-3100 § 5 Nr. 3 mit Anm. Riecker, SGb 1996 S. 672; BSG, Urteil v. 15.8.1996, 9 RVg 5/94, SozR 3-3100 § 65 Nr. 3 = Breithaupt 1997 S. 251). Der Versicherte erhält Leistungen aus der Unfallversicherung, der Anspruch nach dem BVG ruht wiederum nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG (BT-Drs. 13/2204 S. 76 zu § 4).

 
Praxis-Beispiel

Ein Baggerfahrer, der bei Bauarbeiten durch die Detonation einer Fliegerbombe oder einer Landmine aus dem 2. Weltkrieg verletzt wurde, erhält nun die Leistungen der Unfallversicherung (BSG, Urteil v. 17.10.1990, 2 RU 63/89, SGb 1991 S. 153 = SozR 3-2200 § 541 RVO Nr. 2).

 

Rz. 14

Zwei weitere Ausschlusstatbestände enthalten § 3 Abs. 4 OEG zugunsten von Gewaltopfern und § 60 IfSG, der § 54 Abs. 5 BSeuchG abgelöst hat, zugunsten von Personen, die einen Impfschaden erlitten haben. Auch sie können Leistungen nur einmal verlangen, weshalb § 65 Abs. 1 BVG eingreift. Allerdings erhalten sie als Privilegierung die jeweilige Leistung auf dem höchsten Niveau, wobei auf den Gesamtbetrag der Leistung abzustellen ist (BSG, Urteil v. 10.11.1993, 9/9a RVg 2/92, HVBG-INFO 1994 S. 124; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.5.2005, L 8 VG 1018/04).

Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO (BT-Drs. 7/2506 S 16). § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO, der § 4 Abs. 1 Nr. 2 entsprach, würde i. V. m. § 1 des OEG unter Umständen zum Ausschluss von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung führen, die höher als im Versorgungsrecht sein können. Durch § 3 Abs. 4 OEG soll diese nachteilige Wirkung einer Entschädigungsregelung für Opfer von Straftaten vermieden werden; danach fallen Schäden der Opfer von Straftaten, die im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stehen (Arbeitsunfälle), unter die gesetzliche Unfallversicherung. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil v. 12.6.2003, B 9 VG 4/02 R, BSGE 91 S. 124 = SozR 4-3100 § 65 BVG Nr. 1) bedurfte es keiner weiteren Vorschrift im OEG, um die auf dem Niveau der jeweils höchsten Leistung gewollte Versorgung der Opfer von Straftaten, die zugleich Arbeitsunfälle sind, nicht zu einer unerwünschten Doppelbegünstigung durch schrankenlose Leistungskumulation werden zu lassen. An die Stelle einer klaren Zuweisung an das eine oder an das andere System ist ein Nebeneinander von gesetzlicher Unfallversicherung und Opferentschädigung mit dem Prinzip der Subsidiarität Letzterer getreten: Nur wenn und soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach Versorgungsrecht zurückbleiben, sind aus diesem rein steuerfinanzierten System (zusätzliche) Leistungen zu erbringen (vgl. dazu Trenk-Hinterberger, in: Festschrift für Krasney, 1997 S. 663, 666 ff.). Diese Wechselbeziehung von Versicherungsfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2, der Ausnahme davon in § 3 Abs. 4 OEG jetziger Fassung und der Ruhensregelung in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG ist auch im geltenden Recht erhalten geblieben.

 

Rz. 15

Die oben dargestellten Grundsätze gelten für die Versicherung kraft Gesetzes § 2, die Versicherung kraft Satzung § 3 und die freiwillige Versicherung nach § 6 gleichermaßen (BSG, Urteil v. 12.6.2003, B 9 VG ...

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