Rz. 9

Weil das Schiff zugleich Arbeits-, Aufenthalts- und Wohnstätte für die auf dem Schiff Tätigen ist (§ 41 SeemG – Anspruch auf Unterkunft an Bord) und überdies zumeist ständige Arbeitsbereitschaft besteht, die auch im Rahmentarifvertrag ihren Niederschlag gefunden hat, sind die Besonderheiten der Schifffahrt bereits bei der Bestimmung des Umfangs des Unfallversicherungsschutzes nach § 8 ohne die Norm des § 10 zu berücksichtigen.

So ist bei der wertenden Ermittlung des inneren sachlichen Zusammenhangs zwischen Verrichtung und versicherter Tätigkeit die dem Schifffahrtsbetrieb eigentümliche Gefahr mit einzubeziehen. Aus diesem Grund sind über die unmittelbare Ausübung betrieblicher Tätigkeiten hinaus, wenn sich eine dem Schifffahrtsbetrieb eigentümliche Gefahr verwirklicht, auch Verhaltensweisen der versicherten Tätigkeit zuzuordnen, welche sonst allgemein dem privaten Bereich zugerechnet werden. Die Bewertung ist den Unfällen auf Dienstreisen vergleichbar, bei welchen ebenfalls an die besonderen Gestaltungen und Gefahren am auswärtigen Ort angeknüpft wird (vgl. BSG, Urteil v. 25.5.1961, 2 RU 264/57, BSGE 14 S. 197; zu den Grundsätzen auf Dienstreisen: BSG, Urteil v. 30.7.1958, 2 RU 177/55, BSGE 8 S. 48).

 

Rz. 10

Nach der Rechtsprechung des BSG (str. Rspr. seit BSG, Urteil v. 25.5.1961, 2 RU 264/57, BSGE 14 S. 97; BSGE 42 S. 129; zuletzt BSG, Urteil v. 18.4.2000, B 2 U 7/99 R, HVBG-INFO 2000 S. 1846; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 23.10.2003, L 5 U 152/02, SGb 2004 S. 422) sind Schifffahrtsberufe mit besonderen Risiken verbunden, weshalb der innere Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit bei einer sonst unversicherten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit eines an Bord Beschäftigten bejaht und damit der versicherten Tätigkeit zugerechnet wird (ebenso Ricke, in: KassKomm, § 10 Rz. 4; Schmitt, SGB VII, § 10 Rz. 2; Rapp, in: LPK-SGB VII, § 10 Rz. 2).

Der innere Zusammenhang fehlt erst dann, wenn die Tätigkeit des Seemanns so extrem sorglos und unvernünftig ist, dass die selbst geschaffene Gefahr rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls ist, oder dann, wenn die schifffahrtstypischen Gefahren keine rechtlich wesentliche Unfallursache darstellen (str. Rspr. seit BSG, Urteil v. 25.5.1961, 2 RU 264/57, BSGE 14 S. 97; BSG, Urteil v. 5.8.1976, 2 RU 231/74, BSGE 42 S. 129; Alkohol als alleinige Ursache: BSG, Urteil v. 17.2.1998, B 2 U 2/97 R, HVBG-Info 1998 S. 1094, mit zustimmender Anm. Udke, AuA 1999 S. 523; BSG, Urteil v. 18.4.2000, B 2 U 7/99 R, HVBG-INFO 2000 S. 1846; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 23.10.2003, L 5 U 152/02, SGb 2004 S. 422; zur selbstgeschaffenen Gefahr: BSG, Urteil v. 7.3.2000, B 2 U 249/99 B, HVBG-Info 2000 S. 2058; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 4.3.2004, L 7 U 2404/02; BSG, Urteil v. 12.4.2005, B 2 U 11/04, NZS 2006 S. 154 mit Anm. von Wallerath, NZS 2007 S. 63; Köhler, SdL 2006 S. 185; Ricke, SGb 2006 S. 170; Merten, JurisPR-SozR, 11/2007 Rz. 2).

 

Rz. 11

Weitere, sonst unversicherte private Tätigkeiten stehen nach den Grundsätzen des Betriebsbanns unter Unfallversicherungsschutz (v. Wulffen, Festschrift für Krasney zum 65. Geburtstag, 1997 S. 791). Der Betriebsbann setzt voraus, dass

  • bordbedingte Umstände oder
  • schiffstypische Gefahren

räumlich begrenzt auf das Schiff und den Vertäuungsbereich wirken.

Dem Schifffahrtsbetrieb eigentümliche Gefahren liegen in den besonderen Wohnverhältnissen an Bord, der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeit, den vom Schiff und seiner Umgebung ausgehenden Anreizen zu privater Betätigung sowie typischen Schiffsgefahren durch das Rollen des Schiffes, steile Treppen etc. Der Grund für die weite Ausdehnung des Versicherungsschutzes liegt in der korrespondierenden Ablösung der Unternehmerhaftpflicht nach §§ 104 ff. Der Unternehmer kann Bereiche des Schiffes, die in der Freizeit nicht betreten werden dürften, nicht ausreichend absichern, weshalb Schadensersatzprozesse die Folge wären. Das soll gerade ausgeschlossen werden (BSG, Urteil v. 5.8.1976, 2 RU 231/74, BSGE 42 S. 129).

 

Beispiele:

  • Eine versicherte Tätigkeit liegt beim Essen selbst geangelter giftiger Fische vor, wodurch der Seemann verstarb (RVA, Rekursentscheidung Nr. 1543, AN 1896 S. 422; ablehnend Ricke, in: KassKomm, SGB VII, § 10 Rz. 4).
  • Eine versicherte Tätigkeit wurde bei Tod durch Ertrinken beim Baden von Bord aus bejaht, weil die Schwierigkeit bestand, wieder an Bord zu kommen (BSG, Urteil v. 31.7.1964, 2 RU 8/61, BG 1965 S. 72).
  • Der Sturz durch eine nicht verschlossene Luke im Zwischendeck bei der Prüfung, ob dort Fußballspielen möglich ist, ist versichert (BSG, Urteil v. 5.8.1976, 2 RU 231/74, BSGE 42 S. 129).
  • Versicherte Tätigkeit ist auch ein Sportwettkampf mit Mannschaften anderer Schiffe während der Liegezeit.
 

Rz. 12

Unversichert bleiben die Unfälle, bei denen die mit dem Schiffsbetrieb eigentümlichen Gefahren bloße Nebenbedingung sind, z. B. der Sturz eines Binnenschiffers ins Wasser aufgrund 2,64 Promille Blutalkohol (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 10.12.1975, L 3 U 104/75, Breithaupt 197...

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