Rz. 5

§ 64b Abs. 1 Satz 1 enthält die Legaldefinition der häuslichen Pflegehilfe. Kann die häusliche Pflege nach § 64 nicht durch Pflegegeld sichergestellt werden – wird sie also nicht oder nicht vollständig durch die der pflegebedürftigen Person nahestehenden Personen oder als Nachbarschaftshilfe übernommen –, haben Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 gemäß § 64b Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe). Die Vorschrift trägt dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Rechnung, indem neben den körperbezogenen Pflegemaßnahmen auch die genannten Betreuungs- und Entlastungsleistungen aufgeführt werden. Letztere wurden bisher nur zusätzlich und auch nur für Versicherte erbracht (vgl. BT-Drs. 18/9518 S. 93).

 

Rz. 6

Gemäß Abs. 1 Satz 2 umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe auch die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen. Dies erklärt sich insbesondere vor dem Hintergrund der im Rahmen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gebotenen Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit, die auch Hilfen bei der Anleitung, Motivation und Schulung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen erfordert. Diese Art der pflegefachlichen Anleitung soll laufend und situationsbezogen im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe stattfinden und den Pflegebedürftigen sowie die Pflegeperson darin unterstützen, auch in Zeiten der Abwesenheit der Pflegekräfte pflegerelevante Situationen gut bewältigen zu können (vgl. BT-Drs. 18/6688 S. 140 zu § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB XI).

 

Rz. 7

Satz 3 stellt klar, dass mehrere Leistungsberechtigte der Pflegegrade 2 bis 5 die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe auch gemeinsam in Anspruch nehmen können. Dies wird als "Poolen" bezeichnet. Die Vorschrift entspricht § 36 Abs. 4 Satz 4 SGB XI in der seit dem 1.1.2017 geltenden Fassung. Hintergrund der (Vorgänger-)Vorschrift im SGB XI war der Gedanke des Gesetzgebers, dass – wenn mehrere Pflegebedürftige in einer Wohngemeinschaft, einem Gebäude oder in der Umgebung, etwa in einer Straße, "gepoolte" Leistungen in Anspruch nehmen – Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen werden können (BT-Drs. 16/7439 S. 54). Die hierdurch insbesondere entstehenden Zeit- und Kosteneinsparungen sind – jedenfalls was das Recht der sozialen Pflegeversicherung angeht – ausschließlich im Interesse der Pflegebedürftigen zu nutzen. Die frei werdende Zeit soll von dem ambulanten Pflegedienst auch für Betreuung der am "Pool" beteiligten Pflegebedürftigen genutzt werden. Fraglich ist, ob dieser Effekt so auch im Rahmen des § 64b erzielt werden kann, oder ob die in diesem Zusammenhang durch das "Poolen" erzielten Synergieeffekte nicht vielmehr nur den Sozialhilfeträger entlasten (so Kramer/Höfer, in: Bieritz-Harder/Conradis/Thie, SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 64b Rz. 9). Durch das „Poolen" von Leistungen kommt es nicht zu einer Vermehrung der Individualansprüche (vgl. Wahl, in: Udsching/Schütze, SGB XI, § 36 Rz. 27).

 

Rz. 8

Gemäß Satz 4 kann häusliche Pflegehilfe auch Betreuungs- und Entlastungsleistungen durch Unterstützungsangebote i. S. d. § 45a SGB XI umfassen. §64i, also der Anspruch von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 bis 5 auf einen Entlastungsbetrag, bleibt hiervon unberührt.

 

Rz. 9

Abs. 2 konkretisiert die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen. Die Aufzählung der von den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen umfassten Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld in Abs. 2 ist nicht abschließend. Als "insbesondere umfasst" werden dort ausdrücklich genannt Unterstützungsleistungen bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen (1), bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kommunikation, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag (2) sowie durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung (3). Soweit in Abs. 2 vom "häuslichen Umfeld" die Rede ist, ist dies nicht als Einschränkung aufzufassen (vgl. Meßling, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 64b Rz. 26; Krahmer/Höfer, in: LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 64b Rz. 6). Die Formulierung erklärt sich vor dem Hintergrund der ursprünglich vom Gesetzgeber geplanten Abgrenzung zwischen Leistungen der häuslichen Pflege und der der Eingliederungshilfe in § 63b Abs. 1 des Regierungsentwurfs, in deren Zusammenhang es auf die Erbringung im häuslichen Umfeld angekommen wäre.

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