0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Mit Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber v. 30.6.1993 (BGBl. I S. 1074) trat die Vorschrift mit Wirkung zum 1.11.1993 in Kraft. Die Vorschrift ist den §§ 37 Abs. 1, 38 Abs. 2 BSHG a. F. nachgebildet. Zuvor hatte § 120 Abs. 2 BSHG a. F. für Asylbewerber, geduldete und ausreisepflichtige Ausländer eingeschränkte Sozialhilfeleistungen vorgesehen.

 

Rz. 1a

Durch Art. 1 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes v. 26.5.1997 (BGBl. I S. 1130) wurden Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2 geändert. Die letztgenannten Änderungen ermöglichen es nunmehr dem Leistungsträger, die ärztliche und zahnärztliche Versorgung einschließlich der amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen für die Behörde dadurch kostengünstiger zu gestalten, dass sie ermächtigt wurde, örtliche Vereinbarungen zu treffen (dazu BT-Drs. 13/2746 S. 16).

 

Rz. 1b

Durch Art 2 Nr. 4 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015 (BGBl. I S. 1722) wurde in Abs. 1 Satz 2 eingefügt, der Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen betrifft. Diesen Themenkreis betraf auch die Neufassung des Abs. 3, der in Satz 2 sicherstellte, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wurde. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die in Art 11 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes enthaltenen Änderungen der §§ 264 Abs. 1 Satz 2 bis 7 und § 291 Abs. 2 SGB V, die es den Bundesländern ermöglichen, die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme der Krankenbehandlungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG zu verpflichten und in diesem Zusammenhang eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Abs. 1 Satz 1 regelt die ärztliche und zahnärztliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Die Regelung muss im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Satz 1 gesehen werden. Die Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 sind zuerst zu prüfen, da es sich dabei um einen gebundenen Anspruch handelt, während § 6 Abs. 1 Satz 1 eine im behördlichen Ermessen stehende Auffangregelung darstellt (Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 4 Rz. 2). Abs. 1 Satz 2 enthält Regelungen zu Schutzimpfungen und Gesundheitsvorsorge. Abs. 1 Satz 3 begrenzt den Anspruch auf Zahnersatz. Abs. 2 regelt die ärztliche und pflegerische Behandlung bei Schwangerschaft. Abs. 3 enthält Regelungen zum Verfahren bei der Leistungsgewährung und zur Vergütung ärztlicher Leistungen. Auf Empfänger von Analogleistungen nach § 2 findet § 4 keine Anwendung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1).

 

Rz. 3

Leistungsberechtigt sind die Empfänger von Grundleistungen nach § 3. Für Leistungsberechtigte nach § 2 übernimmt abweichend von § 4 (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1) und § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V die gesetzliche Krankenversicherung die Krankenbehandlung als Sachleistung. Sie haben gemäß § 264 Abs. 3 Satz 1 SGB V unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands in der Familienversicherung versichert wären. Gemäß § 264 Abs. 4 SGB V erhalten sie eine elektronische Gesundheitskarte (§ 291 SGB V). Unbegleitete Minderjährige haben Anspruch auf Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII. In Eil- und Notfällen kommt gemäß § 6a unter den dort normierten Voraussetzungen ein Anspruch eines Krankenhausträgers auf Erstattung seiner Aufwendungen in Betracht.

2 Rechtspraxis

2.1 Leistungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen

 

Rz. 4

Abs. 1 Satz 1 normiert den Anspruch zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen. Die Behandlung akuter Erkrankungen ist von der Behandlung chronischer Erkrankungen abzugrenzen (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 4 Rz. 23; Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 4 Rz. 47 ff.; Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 4 Rz. 5). Der Begriff der Erkrankung ist ebenso wie der im SGB V verwendete Begriff der Krankheit gesetzlich nicht definiert. Hier wie dort ist darunter ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der aus medizinischen Gründen ärztlicher Behandlung bedarf (Grube/Wahrendorf/Flint/Leopold, 8. Aufl. 2024, AsylbLG, § 4 Rz. 22 mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R).

 

Rz. 5

Allerdings kann auch bei chronischen Erkrankungen ein akuter Behandlungsbedarf entstehen. Als akute Erkrankung ist eine plötzlich auftretende, schnell und heftig verlaufende Erkrankung anzusehen, während eine langsam sich entwickelnde oder langsam verlaufende Erkrankung als chronische Erkrankung einzustufen ist. Die Abgrenzung erfolgt nach medizinischen Gesichtspunkten und ist im Einzelfall schwierig, weil mit chronischen Erkrankungen akute, konkret behandlungsbedürftige Krankheitszustände einhergehen können (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.5.2013, L 20 AY145/11; LSG Niedersachsen-B...

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