Rz. 39d

Die Vorschrift wurde durch Art. 5 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht zum 31.5.2019 eingefügt (vgl. Rz. 5e). Abs. 4 Satz 1 formuliert den Ausschluss von Leistungen nach dem AsylblG für grundsätzlich Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus nach der Verordnung (EU) 2013/604 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-Verordnung) teilnehmenden Drittstaat internationaler Schutz gewährt worden ist, der fortbesteht (BT-Drs. 19/10047 S. 50 f.). Gegen die Ausschlussregelung werden verschiedentlich verfassungsrechtliche Bedenken erhoben (Frerichs, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., AsylbLG, § 1 Rz. 50 und 181 ff. m. w. N.). In Bezug auf einzelne Mitgliedstaaten der EU wird angenommen, dass angesichts der Lebensumstände, die die Betroffenen dort erwarten, sie einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wären, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 4 GRCh/Art. 3 EMRK zu erleiden (Frerichs, a. a. O., Rz. 182). Diesen Bedenken trägt allerdings die Härtefallregelung nach Abs. 4 Satz 6 Rechnung.

 

Rz. 39e

Abs. 4 Satz 2 bis 5 regeln Überbrückungsleistungen. Gemäß Abs. 4 Satz 2 erhalten diejenigen Ausländer, die von dem Leistungsausschluss nach Abs. 4 Satz 1 betroffen und infolge dessen nach Maßgabe von § 7 hilfebedürftig geworden sind, eingeschränkte Leistungen nach Abs. 4 Satz 4 i. V. m. § 1a Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2. Diese Leistungen sind jedoch gemäß Abs. 4 Satz 2 zeitlich auf einen Zeitraum von 2 Wochen und maximal bis zur Ausreise begrenzt. Sie sollen als Sachleistungen gewährt werden (Abs. 4 Satz 5). Diese 2-wöchigen Überbrückungsleistungen werden innerhalb von 2 Jahren nur einmal gewährt. Die 2-Jahres-Frist beginnt mit der Zahlung der Überbrückungsleistungen. Die Leistungsberechtigten sind darüber und über die Härtefallregelung des Abs. 4 Satz 6 zu belehren (Abs. 4 Satz 3). Nach Ablauf der 2 Jahre können erneut Überbrückungsleistungen nach Abs. 4 Satz 2 gewährt werden.

 

Rz. 39f

Würde es bei dem völligen Leistungsausschluss nach Ablauf von 2 Wochen bleiben, so wäre dies mit dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 GG) nicht vereinbar. Um die Verletzung dieser Grundrechte zu verhindern, enthält Abs. 4 Satz 6 Härtefallregelungen, die eine Ausweitung des Leistungsumfangs und eine Verlängerung des Leistungszeitraumes unter bestimmten Voraussetzungen erlauben. Zum Leistungsumfang nennt der Gesetzeswortlaut (uneingeschränkte) Grundleistungen nach § 3, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 sowie sonstige Leistungen nach § 6. Es ist im Einzelfall zu ermitteln und zu prüfen, ob und inwieweit besondere persönliche Umstände vorliegen, die sich vom Normalfall deutlich unterscheiden und die die jeweiligen zusätzlichen Leistungen erfordern. Die besonderen Leistungen müssen zur Überwindung einer besonderen Härte erforderlich sein. Nicht jede Abweichung vom Durchschnitts- und Normalfall reicht aus. Nur soweit die Leistungen insoweit erforderlich sind, sind sie zu gewähren. Ansonsten bleibt es beim Leistungsumfang nach Abs. 4 Satz 2. Zum Beispiel sind Leistungen nach § 4 zu gewähren, wenn die oder der Betreffende krankheitsbedingt eine besondere Ernährung benötigt. Sonstige Leistungen nach § 6 kommen z. B. in Betracht, wenn warme Winterkleidung benötigt wird (Herbst, in: Mergler/Zink, AsylbLG, § 1 Rz. 61). Die Leistungsgewährung für einen längeren Zeitraum kommt in Betracht, wenn die Reisefähigkeit etwa wegen eines fehlenden Reisepasses oder wegen der Versorgung eines minderjährigen Kindes eingeschränkt ist (Herbst, a. a. O., Rz. 62). Dem Leistungsträger steht zwar ein Beurteilungsspielraum bei der Beurteilung des Sachverhalts zu, nicht aber ein Ermessen bei der Auswahl der Leistungen. Uneingeschränkte Grundleistungen nach § 3 und Leistungen nach §§ 4 und 6 für einen längeren Zeitraum kommen insbesondere dann in Betracht, wenn von einem längeren Aufenthalt des Leistungsempfängers im Bundesgebiet zu rechnen ist. Hierdurch wird allerdings der Grundsatz des Abs. 4 Satz 1 und 2 in der Praxis weitgehend ausgehöhlt.

 

Rz. 39g

Gemäß Abs. 4 Satz 7 werden die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Unklar bleibt, ob damit nur die Kosten der Rückreise ins Heimatland oder auch die Kosten der Rückreise in das Land gemeint ist, in dem internationaler Schutz gewährt wird. Nach Satz 8 können auch diejenigen Leistungsberechtigten eine Übernahme der Reisekosten beantragen, die wegen dieser Kosten den Bedarf an Überbrückungsleistungen nicht decken können. Die Reisekosten sind als Darlehen zu gewähren. Vo...

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