Rz. 5

Abs. 1 Nr. 1 verpflichtet die Leistungsträger, die Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise umfassend und zügig (bis 31.12.2000: schnell) zu erbringen. Die Vorschrift setzt somit einen bestehenden Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung voraus und verpflichtet zur zügigen und unverzüglichen Erfüllung. Die Verpflichtung zur umfassenden Gewährung von Sozialleistungen schließt ein, dass ein Antrag nach dem Günstigkeitsprinzip ausgelegt wird (vgl. BSG, Urteil v. 5.10.2005, B 5 RJ 6/05 R). Dies schließt es aus, zur Verwaltungsvereinfachung oder Vermeidung von Ermittlungen Berechtigte zur Beschränkung ihres Antrags zu veranlassen oder sie zu beeinflussen, an Erklärungen mit für sie ungünstigem Inhalt festzuhalten (vgl. BSG, Urteil v. 25.7.1995, 10 RKg 9/94).

 

Rz. 5a

Die Verpflichtung zur umfassenden Gewährung beinhaltet allerdings nicht, dass ggf. auch Leistungen zu gewähren sind, die gesetzlich nicht vorgesehen sind, denn § 17 steht unter dem Vorbehalt des Gesetzes nach § 31. Die Verpflichtung nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 besteht nur bezüglich der Art und Weise der Leistungserbringung von materiell-rechtlich bestehenden Ansprüchen auf Sozialleistungen, so dass Leistungsausschlüsse oder -beschränkungen (z. B. für Heil- und Hilfsmittel oder die Anerkennung einer bestimmten Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot) ebenso zu beachten sind, wie eine gesetzliche vorgesehene Inanspruchnahme nur durch zugelassene Leistungserbringer.

 

Rz. 6

Die Pflicht zur zügigen Leistungsgewährung folgt dem Grunde nach bereits aus § 41 (vgl. Komm. dort), weil im Regelfall die gesetzlichen Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen kraft Gesetzes fällig werden und damit dann auch zu erfüllen sind; dies gilt insbesondere dann, wenn diese von existentieller Bedeutung für den Berechtigten sind. Insbesondere bei Geldleistungen kann sich ein spontaner Bedarf ergeben, so dass zu einer zügigen Leistungsgewährung auch die Möglichkeit der Barleistung durch den Leistungsträger gehört. Grundsätzlich ist zwar die Zahlung auf eine Konto des Berechtigten vorgeschrieben (vgl. § 47 Abs. 1 und § 42 Abs. 3 SGB II und Komm. dort). Hierbei handelt es sich jedoch um Sollvorschriften, von denen nach den Besonderheiten des Einzelfalles auch abgewichen werden kann; dies gilt insbesondere im Bereich der Sozialhilfe und der Grundsicherung.

 

Rz. 6a

Als Vorstufe zu einem festgestellten Anspruch gehört zur Verpflichtung des Sozialleistungsträgers auch, dass die Anspruchsvoraussetzungen entsprechend zügig ermittelt und geklärt werden (vgl. § 9 Satz 2 SGB X und Komm. dort). Aus Abs. 1 Nr. 1 folgt jedoch nicht zusätzlich das Gebot, auch "zügig" über die Ablehnung eines Leistungsantrages zu entscheiden (a. A. wohl Knecht, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 17 Rz. 13, Stand: November 2015; Gutzler, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 17 Rz. 28). Da Abs. 1 Nr. 1 auf zustehende Ansprüche abstellt und diese voraussetzt, dürfte § 17 Abs. 1 Nr. 1 keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für eine vorläufige Leistungsgewährung vor Abschluss der Klärung der Anspruchsvoraussetzungen außerhalb der Regelungen der §§ 42, 43, spezialgesetzlicher Regelungen oder der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für vorläufige Verwaltungsakte (vgl. Komm. zu § 31 SGB X) darstellen. Wenn und soweit über geltend gemachte Sozialleistungsansprüche nicht zeitnah entschieden wird, steht die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zur Verfügung. § 17 selbst stellt insoweit keine eigenständige Grundlage für eine Klage dar (so auch Spellbrink, in: KassKomm. SGB I, § 17 Rz. 17, Stand: September 2020). Allerdings ist zu beachten, dass die zügige Leistungsgewährung nicht nur die formelle Bewilligung einer Leistung betrifft, sondern (gerade) die tatsächliche Erbringung dieser Leistung, wobei der bewilligende Versicherungsträger nicht in allen Fällen zugleich auch der Leistungsträger/Leistungserbringer ist.

 

Rz. 7

Der Auftrag zur Sicherstellung, dass der Berechtigte seine ihm zustehende Leistung erhält und ihm diese zufließt, begründet für den Leistungsträger diesem gegenüber eine gewisse Obhutspflicht, was allerdings umstritten ist. In Fällen einer Pflichtenkollision zwischen der Obhutspflicht und der Erfüllungspflicht, weil begründeterweise zweifelhaft ist, ob der Berechtigte auch die ihm zustehende Leistung wirklich erhält, ist der Leistungsträger berechtigt, dem Erfüllungsverlangen, insbesondere wenn dies durch einen Dritten geltend gemacht wird, eine dilatorische Einrede entgegenzuhalten (so BSG, Urteil v. 25.1.2001, B 4 RA 48/99 R; vgl. dazu Mey, DAngVers 2001, 330; a. A. BSG, Urteil v. 5.4.2000, B 5 RJ 38/99 R; zur Entscheidung durch Verwaltungsakt BSG, Urteil v. 13.12.2001, B 13 RJ 67/99 R). Der Weg über die Regelungen der §§ 61 ff. (vgl. dazu BSG, Urteil v. 22.2.1995, 4 RA 44/94) mit der Folge der Leistungsversagung nach § 66 dürfte in solchen Fällen weder einschlägig noch erfolgversprechend sein. Ist der Leistungsberechtigte damit einvers...

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