0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem SGB I durch Gesetz v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015) mit Wirkung zum 1.1.1976 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift normiert den Vorbehalt des Gesetzes für das SGB und erstreckt diesen auf Rechte und Pflichten. Zur Begründung ist in BT-Drs. 7/868 S. 27 f. ausgeführt: "Einer der hergebrachten Grundsätze des Rechtsstaats besteht darin, dass der Staat und seine Institutionen in Rechtspositionen des einzelnen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingreifen dürfen. Da die im Sozialgesetzbuch geregelten Begünstigungen ebenfalls nicht im freien Ermessen der öffentlichen Verwaltung stehen, sondern dazu bestimmt sind, den sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen, erstreckt § 31 den Vorbehalt des Gesetzes auf alle Akte, durch die der Rechtskreis des einzelnen berührt wird. Dies gilt auch insoweit, als Rechte und Pflichten, die im Gesetz abstrakt umschrieben sind, festgestellt und damit für den einzelnen konkretisiert werden. Dass die Berührung des individuellen Rechtskreises durch Gesetz zugelassen sein muss, besagt zweierlei. Einmal muss es sich bei der Grundnorm um ein Gesetz im formellen Sinne handeln, wobei außer dem Sozialgesetzbuch auch sonstige Gesetze einschließlich der Haushaltsgesetze in Betracht kommen. Zum anderen genügen auf einer solchen Grundnorm beruhende Regelungen in Rechtsverordnungen, Anordnungen und autonomen Vorschriften. Darüber hinaus wird durch das Wort, zulässt’ klargestellt, dass es als ausreichend erachtet wird, wenn das Gesetz oder die auf ihm beruhenden Rechtsvorschriften eine Begründung, Feststellung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten implizieren. Solange und soweit das allgemeine Verwaltungsrecht nicht kodifiziert ist, sind die dort gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze zu beachten."

 

Rz. 1b

Für den Bereich der Pflichten, also die typische Eingriffsverwaltung, hat die Vorschrift lediglich klarstellende Funktion, da sich der Gesetzesvorbehalt hierfür bereits aus Art. 20 Abs. 3 GG ergab und ergibt. Der Gesetzesvorbehalt wird durch die Vorschrift auf Ansprüche (Rechte) nach den einzelnen Büchern ausgedehnt und macht damit auch für die Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung eine formelle gesetzliche Grundlage erforderlich.

2 Rechtspraxis

2.1 Gesetzesvorbehalt

 

Rz. 2

Der Vorbehalt des Gesetzes besagt als allgemeiner Grundsatz des Rechtsstaates, dass die Rechtsposition des Einzelnen durch die Gesetze bestimmt wird und werden muss. Dieser Grundsatz dient in erster Linie der Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem Gesetzgeber und der Verwaltung als der gesetzesvollziehenden Behörde.

 

Rz. 3

Für den Bereich der eingreifenden – Pflichten und Lasten auferlegenden – Verwaltungstätigkeit ergibt sich dieser Grundsatz des Vorbehaltes eines Gesetzes bereits aus Art. 20 Abs. 3 GG, so dass § 31 insoweit nur klarstellende Bedeutung hat (BT-Drs. 7/868 S. 27).

 

Rz. 4

Für den Bereich der leistenden – Vorteile und Begünstigungen einräumenden – Verwaltungstätigkeit war die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes i. S. d. Zuständigkeit des Gesetzgebers für die Festlegung bestimmter Gegenstände umstritten. Indem § 31 diesen Gesetzesvorbehalt nunmehr ausdrücklich auch auf "die im SGB geregelten Begünstigungen" (BT-Drs. 7/868 S. 27) erstreckt, stellte dies eine spezialgesetzliche ausdrückliche Regelung dar, die erst später vom BVerfG als auch allgemeingültiger Grundsatz des Verfassungsrechts angesehen wurde.

 

Rz. 5

Der totale Gesetzesvorbehalt ist im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Satz 2 zu sehen, der Einzelansprüche aus den allgemein formulierten sozialen Rechten (§§ 3 bis 10) von den gesetzlichen Voraussetzungen der besonderen Teile abhängig macht und daher ein einschränkendes Korrektiv i. S. eines Verbots übergesetzlicher Leistungsgewährung an die Verwaltung darstellt. Auch wenn diese besonderen Teile die einzelnen Ansprüche regeln und von besonderen Voraussetzungen abhängig machen und dem Einzelnen nur in diesem Rahmen durchsetzbare Rechte zustehen, schließt dies nicht notwendig die Begrenzung auf diese Ansprüche ein. Diese Begrenzung wird erst durch § 31 herbeigeführt.

 

Rz. 6

Letztlich wird mit dem Vorbehalt des Gesetzes jedoch auch eine Grenze für die Auslegung der Vorschriften des SGB (vgl. § 2 Abs. 2 und Komm. dort) für Verwaltung und Gerichte gezogen. Das schließt aber nicht aus, dass die Rechtsprechung zur Lückenfüllung und Rechtsfortbildung auf nicht dem SGB zugehörige Gesetze oder Rechtsgrundsätze zurückgreifen kann. Problematisch erscheint dabei jedoch in Bezug auf § 31 der Rückgriff auf zivilrechtliche Grundsätze (Treu und Glauben oder Verwirkung), um über §§ 25, 76 SGB IV und § 44 hinaus Beitragspflichten zu verneinen oder zu begrenzen, denn eine allgemeine Verfügungsbefugnis über Ansprüche steht den Sozialleistungsträgern nach § 31 gerade nicht zu. Dem Vorbehalt des Gesetzes entspricht es, den (zum Ausgleich nachteiliger Folgen bei fehlerhafter Beratung) von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf rechtlich zulässige L...

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