Rz. 16

Mit Art. 2 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 des SGB IX v. 19.6.2001 hatte der Abs. 2 einen neuen Inhalt erhalten. Hörbehinderten Menschen ist das Recht auf die Verwendung der Gebärdensprache bei der Erbringung von Sozialleistungen, insbesondere für die Kommunikation bei Untersuchungen und Behandlungen eingeräumt worden, das bisher nicht bestand (vgl. BSG, Urteil v. 10.5.1995, 1 RK 20/94). Dieser Rechtsstand stand bisher ausdrücklich nur hörbehinderten Menschen zu. Die auf anderen Gründen beruhende fehlende verbale Kommunikationsfähigkeit begründete bisher keinen Anspruch auf einen Gebärdendolmetscher oder eine andere Kommunikationshilfe. Dementsprechend sah § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch die Verwendung der Gebärdensprache bei Antragstellung und im Verwaltungsverfahren vor. Damit wird eine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der schriftlichen oder verbalen Verwendung der deutschen Sprache gemacht (§ 19 Abs. 1 SGB X).

 

Rz. 16a

Abs. 2 über die Verwendung von Kommunikationshilfen wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts v. 19.7.2016 (BGBl. I S. 1757) dahingehend geändert, als nunmehr auf Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen abgestellt wird. Damit wird einerseits auf den in Anpassung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) geänderten Begriff und Wortlaut des § 3 (BGG) abgestellt. Abs. 2 stellt bisher einerseits in Satz 1 ausschließlich auf die Kommunikation in Gebärdensprache ab, verweist aber andererseits in Satz 2 bei der Kostentragung durch die Sozialleistungsträger sowohl auf die Gebärdensprache als auch auf andere Kommunikationshilfen.

 

Rz. 17

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/5074 S. 96) zur bisherigen Fassung des Abs. 2 hatte zu der Regelung ausgeführt, dass es für die Integration der Gehörlosen von großer Bedeutung sei, in beiden Sprachen – der Lautsprache und der Gebärdensprache – je nach den Erfordernissen der konkreten Situation kommunizieren zu können. Für den Sozialbereich werde es den hörbehinderten Menschen ermöglicht, im Verkehr mit öffentlichen Einrichtungen die Gebärdensprache zu verwenden. Dies solle nicht nur im Verfahren der Sozialverwaltung, sondern auch bei der Ausführung aller Sozialleistungen gelten. Für andere Bereiche außerhalb der Leistungserbringung seien jedoch besondere gesetzlich Regelungen vorgesehen (BT-Drs. 14/5074 S. 111).

 

Rz. 17a

Zur Änderung der Vorschrift durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts v. 19.7.2016 (BGBl. I S. 1757) ist zur Begründung ausgeführt (BT-Drs. 18/7824 S. 47): "Abs. 2 stellt bisher einerseits in Satz 1 ausschließlich auf die Kommunikation in Gebärdensprache ab, verweist aber andererseits in Satz 2 bei der Kostentragung durch die Sozialleistungsträger sowohl auf die Gebärdensprache als auch auf andere Kommunikationshilfen. Die Regelung für die Ausführung von Sozialleistungen wird daher klarstellend und mit Rücksicht auf den Anspruch von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen auf Verwendung der Deutschen Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen im allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem BGG und der KHV angepasst."

 

Rz. 18

Die ab 27.7.2016 gültige Neuregelung des Abs. 2 ist auf die Verwendung der Deutschen Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen bei der Ausführung von Sozialleistungen beschränkt; ebenso § 1 Abs. 1 der Kommunikationshilfenverordnung – KHV). Als geeignete andere Kommunikationshilfen über Gebärdendolmetscher hinaus kommen insbesondere die in § 3 Abs. 2 KHV genannten Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer, Kommunikationsmethoden und Kommunikationsmittel in Betracht. Das Gesetz nennt als Beispiel für die Anwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen bei der Erbringung von Sozialleistungen die ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen. Gemeint sind darüber hinaus jedoch alle Dienst- oder Sachleistungen, die dem Berechtigten gegenüber persönlich erbracht werden müssen und notwendig mit sprachlicher Kommunikation verbunden sind. Die Vorschrift verlangt nicht, dass die Anwendung der Gebärdensprache zwingend erforderlich ist. Daher kann, zumal in der Fassung des Abs. 2 seit dem 27.7.2016, ein Mensch mit Hör- oder Sprachbehinderung nicht auf die ihm mögliche schriftliche Kommunikation verwiesen werden.

 

Rz. 19

Dem Recht auf Verwendung der Gebärdensprache entspricht die Pflicht der Leistungsträger, einen dieser Sprache Kundigen bei der Erbringung der Sozialleistung bereitzustellen. Diese Verpflichtung betrifft dem Grunde nach den Leistungserbringer, mit dem die Kommunikation zu erfolgen hat. Soweit dieser der Gebärdensprache nicht selbst oder durch Hilfspersonen mächtig ist, muss er sich der Hilfe eines Gebärdendolmetschers oder einer Person, die andere Kommunikationsmethoden beherrscht, bedienen. Die Rechtspflicht zur Stellung eines Gebärdendolmetschers besteht allerdings nicht für den Leistungserbringer, sondern den zuständigen Leistungsträger, wie si...

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