Rz. 11

Fraglich ist, ob es bei Erstattungsstreitigkeiten nur auf den Wert des Beschwerdegegenstands ankommt und Abs. 1 Satz 2 nicht anwendbar ist. Das BSG meint, auf Berufungen wegen Erstattungsstreitigkeiten finde die Rückausnahme des § 144 Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung; es handele sich um einen in der einmaligen Gewährung erschöpfenden Anspruch ohne Dauerwirkung, der keine laufende oder wiederkehrende Leistung betreffe. (BSG, Urteil v. 17.12.2002, B 4 RA 39/02 R, SozR 3-1500 § 144 Nr. 18; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 18.6.2002, L 4 RA 4794/00; Leitherer, SGG, § 144 Rn. 21; Krasney/Udsching, VIII Rn. 21A; Zeihe, SGG, § 144 Rn 19a; Knittel, in: Hennig, § 144 Rn. 30). Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass § 144 Abs. 1 Satz 2 nach Wortlaut und Gesetzessystematik auch bei Erstattungsstreitigkeiten i. S. v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gelte (Kummer, NZS 1993 S. 285, 291; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 144 Rn. 86, 159). Für erstgenannte Auffassung mag sprechen, dass Erstattungsansprüche eigenständige Ansprüche sind. Einer Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift bzw. dessen Entstehungsgeschichte (hierzu Leitherer, SGG, § 155 Rn. 21) steht indessen der eindeutige und nicht auslegungsfähige Wortlaut entgegen. Jede Auslegung darf nur innerhalb des möglichen Wortsinns erfolgen; wird dieser überschritten, ist für eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift kein Raum (Zippelius, § 9 II, S. 47; BVerfG, Beschluss v. 20.10.1992, 1 BvR 698/89, BVerfGE 87 S, 209; LSG NRW, Urteil v. 25.10.1995, L 11 Ka 75/95, juris), denn ein eindeutiger, ggf. durch Auslegung zu ermittelnder Wortlaut ist bindend (vgl. BVerfG, Beschluss v. 7.7.1992, 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87 S. 48, 69; LSG NRW, Beschluss v. 4.5.2011, L 11 KA 120/10 B ER; Urteil v. 28.7.2004, L 10 V 11/03; Urteil v. 21.4.1999, L 10 VG 50/98; Urteil v. 20.3.1996, L 11 Ka 132/95). So liegt es hier. Nach Wortlaut und Systematik bezieht sich § 144 Abs. 1 Satz 2 sowohl auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 als auch auf § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Unerheblich ist dabei, dass die herrschende Auffassung sachlich durchaus vertretbar erscheint. Wenn auch der Gesetzgeber dieser Auffassung gewesen wäre, hätte er die Vorschrift klar formulieren müssen, nötigenfalls wird er dies nachzuholen haben. Das ist bislang nicht geschehen. Damit steht fest, dass er die sich vom Wortlaut lösende Auffassung nicht in seinen Willen aufgenommen hat.

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