Rz. 8

Statthaft ist die Berufung jeweils, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands die in § 144 Abs. 1 Nr. 1 (750,00 EUR) und Nr. 2 (10.000,00 EUR) genannten Beträge übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist nicht mit dem Wert der Beschwer gleichzusetzen (so aber Jauernig, NJW 2001 S. 3027). Beschwer ist das, womit der Rechtsmittelführer in der Vorinstanz unterlegen ist. Wert des Beschwerdegegenstands ist hingegen derjenige Teil der Beschwer, dessen Beseitigung mit dem Rechtsmittel erstrebt wird (zutreffend Fischer, NJW 2002 S. 1551 zu § 511 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; vgl. auch Schneider, NJW 2004 S. 51 – Editorial; hierzu auch Frehse, SGb 2005 S. 190). Der Wert des Beschwerdegegenstands für das Berufungsverfahrens wird durch die Beschwer begrenzt, die das Urteil des Sozialgerichts für den Beteiligten darstellt. Dies wiederum ist davon abhängig, in welchem Umfang der Antrag des Beteiligten vom Sozialgericht abgelehnt worden ist und inwieweit das Begehren weiterverfolgt wird (vgl. Leitherer, SGG, § 144 Rn. 14). Der Wert des Beschwerdegegenstands berechnet sich nach § 202 SGG i. V. m. §§ 3 bis 9 ZPO (BSG, Urteil v. 25.2.1966, 3 RK 9/63 BSGE 24 S. 260); er bestimmt sich nach dem Geldbetrag, den das SG einem Kläger versagt hat und der von diesem als Rechtsmittelführer weiter verfolgt wird (BSG, Beschluss v. 21.6.2011, B 4 AS 32/11 B. Beschluss. v. 6.2.1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11; vgl. LSG NRW, Beschluss v. 7.4.2011, L 7 AS 267/11 NZB; Leitherer, SGG, § 144 Rn. 14 m. w. N.). Bei Beteiligten, die nicht durch einen Antrag auf die Entscheidung Einfluss nehmen können oder müssen, kommt es auf die materielle Beschwer, d. h. auf die negative Auswirkung des Urteilsausspruchs auf ihre Rechtsposition an (BSG, Urteil v. 17.11.2005, B 11a/11 AL 57/04 R, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4).

 

Rz. 8a

Bei der Berechnung ist von der Rechtsauffassung des Berufungsführers auszugehen. Das gilt nur dann nicht, wenn offensichtlich ist, dass der Streitwert missbräuchlich auf einen über 750,00 EUR hinausgehenden Betrag gewählt worden ist, um die Berufungssumme zu überschreiten (vgl. LSG NRW, Urteil v. 5.3.2003, L 12 AL 154/02), denn der Wert des Beschwerdegegenstands darf nicht willkürlich durch überhöhte Wertangaben eines in diesem Umfang offensichtlich nicht bestehenden Anspruchs erreicht werden (BSG, Urteil v. 5.3.1980, 9 RV 44/78, Breithaupt 1980 S. 1007; BSG, Urteil v. 18.7.1989, 10 RKg 27/88, SGb 1990 S. 298; Zeihe, SGG, § 144 Rn. 16b). Zur Bestimmung des Beschwerdewertes oder des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 ist daher nicht nur auf den Vortrag des Berufungsführers im Berufungsverfahren abzustellen, vielmehr ist auch dessen Antrag im Berufungsverfahren mit seinem Antrag vor dem SG zu vergleichen. Andernfalls könnte der Berufungsführer durch eine entsprechende Antragstellung im Berufungsverfahren die mit dem § 144 Abs. 1 verfolgte Beschränkung des Berufungszugangs beliebig unterlaufen (BSG, Beschluss v. 4.7.2011, B 14 AS 30/11 B; Krasney/Udsching, VIII, Rn. 14 f.; Leitherer, SGG, § 144 Rn. 14).

 

Rz. 8b

Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, also rechtsmissbräuchlich, ist das Ausnutzen einer von der Rechtsordnung an sich gegebenen Rechtsschutzmöglichkeit oder einer prozessualen Befugnis zu einem der einschlägigen Norm widersprechenden Zweck. Die funktionswidrige Inanspruchnahme der Rechtspflegeeinrichtung ist dadurch abzuwehren, dass entsprechend § 162 Abs. 2 BGB angenommen wird, der beabsichtigte Prozesserfolg sei nicht eingetreten (BSG, Urteil 5.3.1980, 9 RV 44/78, Breithaupt 1980 S. 1007).

 

Rz. 8c

Verbindet das SG getrennt erhobene Klagen, errechnet sich der Wert des Beschwerdegegenstands aus der Summe der streitigen Ansprüche. Das gilt auch, wenn mehrere Beteiligte klagen (BSG, Urteil v. 13.7.2004, B 1 KR 33/02 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 3). Mehrere Ansprüche auf Geld- oder Sachleistung werden zusammengerechnet (§ 5 ZPO) und zwar auch dann, wenn die Erstattungsansprüche verschiedene Personen betreffen (BSG, Urteil v. 18.12.1974, 2/8/2 RU 121/72, Breithaupt 1975 S. 898) oder mehrere Verwaltungsakte in objektiver Klagehäufung angefochten werden (BGH, Beschluss v. 23.10.1990, VI ZR 135/90, NJW-RR 1991 S. 186). Im Fall wirtschaftlicher Identität mehrerer Ansprüche ist eine Addition unzulässig; maßgebend ist dann der Wert des höheren Anspruchs. Sofern mehrere Beteiligte klagen, ist der Wert des Beschwerdegegenstands zusammenzurechnen (BGH, Beschluss v. 23.6.1983, IVa ZR 136/82, NJW 1984 S. 927). Bilden mehrere Kläger eine gemäß § 74 SGG i. V. m. §§ 59, 60 ZPO zulässige Streitgenossenschaft (subjektive Klagehäufung), weil sie mit dem angefochtenen Bescheid aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund verpflichtet werden, sind die geltend gemachten Ansprüche zusammenzurechnen (§ 202 SGG i. V. m. § 5 HS 1 ZPO), soweit die Ansprüche nicht identisch sind (BGH, NJW 1981 S. 578; Knittel, in: Hennig, SGG, 10/2011, § 144 Rn. 23). Dies gilt auch für die von mehreren Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft geltend gema...

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