2.2.1.1 Berufungsausschluss nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

2.2.1.1.1 Geldleistung

 

Rz. 4

Der Berufungsausschluss nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 betrifft Klagen auf Geld-, Dienst- oder Sachleistungen bzw. hierauf gerichtete Verwaltungsakte. Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten von geringerem Wert (Bagatellfälle) die höhere Instanz nur über den Weg der Rechtsmittelzulassung zu eröffnen (BT-Drs. 12/1217 S. 51 f.; Bernsdorff, in: Hennig, SGG, 4/2002, § 144 Rn. 2).

 

Rz. 4a

Der Begriff Leistung ist nicht materiell-rechtlich i. S. v. Sozialleistung (§ 11 SGB I), sondern verfahrensrechtlich zu verstehen (Zeihe, SGb 1986 S. 295 und SGb 1984 S. 561) und meint jedes Tun, Dulden oder Unterlassen als Korrelat zum Anspruch (Zeihe, SGG, 11/2010, § 144 Rn. 7a). Die Klage kann auch gegen einen Bürger z. B. wegen Schadensersatz, Zuzahlung zu Sozialleistungen, Erstattung usw. gerichtet sein. Klagen auf Geldleistungen sind solche, die auf eine Zahlung oder Befreiung von der Zahlungspflicht gerichtet sind (BSG, Urteil v. 19.11.1996, 1 RK 18/95, NZS 1997 S. 388; Kummer, NZS 1993 S. 287). Disziplinarbescheide gegen Vertragsärzte werden vom Berufungsausschluss auch dann nicht erfasst, wenn Geldbußen verhängt werden (BSG, Urteil v. 11.9.2002, B 6 KA 36/01 R, MedR 2003 S. 357 = Breithaupt 2003 S. 489). Der von einem Vertragsarzt gegen seine Kassenärztliche Vereinigung geltend gemachte Honoraranspruch betrifft keine Sozialleistung, ist i. S. d. § 144 aber auf eine Geldleistung gerichtet und unterfällt ggf. dem Berufungsausschluss (BSG, Urteil v. 21.4.1993, 14a RKa 6/92, SozR 3-5555 § 15 EKV-Zahnärzte).

2.2.1.1.2 Sachleistung/Dienstleistung

 

Rz. 5

Ob die Klage nur dann auf eine Sachleistung gerichtet ist, wenn es um die Hingabe oder zur Verfügungstellung von Sachen geht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 Rn. 9 m. w. N.; vgl. auch Rohwer-Kahlmann, § 144 Rn. 9) bzw. die Leistung in Natur zu gewähren ist (Zeihe, SGG, § 144 Rn. 8b) oder aber auch eine Dienstleistung eine Sachleistung i. S. d. § 144 Abs. 1 Nr. 3 darstellt (BSG, Urteil v. 28.6.1991, 2 RU 24/90 SozR 3-1500 § 144 Nr. 3; BSG, Urteil v. 31.7.1990, 11 BAr 21/90 SozR 3-1500 § 144 Nr. 1; Krasney/Udsching, 5. Aufl. 2008, VIII 12; Burdenski, in: GK SGB I, § 11 Rn. 9 bis 15; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 10/2010, § 144 Rn. 45, 57, 58; Bernsdorff, in: Henning, SGG, § 144 Rn. 13), war bis zum 31.3.2008 umstritten. Soweit in der Vorauflage unter § 144 Rn. 5 im Einzelnen dargelegt worden ist, warum letztgenannte Auffassung überzeugt, ist dem Streit durch die Neufassung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 mit Wirkung zum 1.4.2008 die Grundlage entzogen. Hierdurch ist der Streitstand im hier vertretenen Sinn entschieden worden, indem nunmehr geregelt ist, dass Dienstleistungen im Wege der Klarstellung in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen werden (BT-Drs. 16/7716 S. 26)

2.2.1.1.3 Weder Sachleistung noch Dienstleistung

 

Rz. 6

Ist die Klage weder auf eine Geld- noch auf eine Sachleistung gerichtet, greift kein Berufungsausschluss. Demgemäß sind Eintragungen in Ärzteverzeichnisse, Disziplinarsachen (vgl. BSG, Urteil v. 11.9.2002, B 6 KA 36/01 R, MedR 2003 S. 357 = Breithaupt 2003 S. 489), Zulassungs- und Ermächtigungsstreitigkeiten, Versagungen von Arbeitserlaubnissen, der Streit um die Anerkennung von Unfall- oder Schädigungsfolgen oder Streitigkeiten nach dem SGB IX uneingeschränkt berufungsfähig (weitere Beispiel bei Zeihe, SGG, § 144 Rn. 8e).

 

Rz. 6a

Vertragsärztliche Disziplinarmaßnahmen bilden oftmals die Vorstufe vor einer Zulassungsentziehung. Ihnen kommt eine andere Qualität zu als den im Sozialrecht ansonsten verhängten Geldbußen wegen begangener Ordnungswidrigkeiten (vgl. z. B. § 111 SGB IV, § 307 SGB V, § 320 SGB VI, §§ 209 ff. SGB VII). Ein Disziplinarbescheid im Vertragsarztrecht, mit dem eine Geldbuße auferlegt wird, ist nicht lediglich auf die Festsetzung einer Geldleistung gerichtet. In erster Linie hat er zum Ziel, eine schwerwiegende Verletzung vertragsärztlicher Pflichten zu missbilligen. Er ist damit auf die Aufrechterhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung gerichtet, das der Erfüllung der Leistungsansprüche der Versicherten dient. Eine disziplinarrechtliche Geldbuße wird mithin von der Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, die nach ihrem Sinngehalt bloße vermögensrechtliche Streitigkeiten mit Bagatellcharakter von der generellen Berufungsfähigkeit ausnehmen soll, nicht erfasst (BSG, Urteil v. 11.9.2002, B 6 KA 36/01 R, SozR 3-2500 § 81 Nr. 8). Eine "einmalige Leistung" für Zwangs- und Ordnungsstrafen verneinen: BSG, Urteil v. 28.12.1955, 1 RA 71/55, SozR Nr. 3 zu § 144 SGG, und LSG NRW, Urteil v. 24.9.1958, LS 14 U 17/56, SGb 1960 S. 115, 116. Eine (auch) gegen die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeit nach § 128 Abs. 1 Nr. 3 SGB III gerichtete Klage betrifft keine Geld-, Sach- oder Dienstleistung i. S. d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 weshalb die Berufung ohne Beschränkung zulässig ist (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 8.9.2011, L 1 AL 131/10).

 

Rz. 6b

Fraglich ist, wie hinsichtlich derUntätigkeitsklage (§ 88 SGG) z...

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