Entscheidungsstichwort (Thema)

Meldung einer Ausfallzeit an den Rentenversicherungsträger durch Bundesanstalt für Arbeit. einmalige Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

Begehrt der Kläger von der Bundesanstalt für Arbeit die Meldung einer Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit (§ 36 Abs 1 S 1 Nr 3 AVG = § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3 RVO) an den Rentenversicherungsträger, so betrifft die Berufung eine einmalige Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG.

 

Normenkette

SGG § 144 Abs 1 Nr 1; AVG § 36 Abs 1 S 1 Nr 3; RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3; DEVO 2 § 13 Abs 2 S 1; SGB 1 § 11 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 31.01.1990; Aktenzeichen L 7 Ar 164/88)

SG Aurich (Entscheidung vom 11.02.1988; Aktenzeichen S 5 Ar 29/86)

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde war als unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung den Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht genügt.

Soweit die Beklagte geltend macht, das Landessozialgericht (LSG) habe verfahrensfehlerhaft die Berufung verworfen, obgleich diese gemäß § 150 Nr 1 SGG zugelassen gewesen sei, ist ein die Zulassung ergebender Sachverhalt nicht vorgetragen. Das SG-Urteil enthält keine Zulassung der Berufung. Die Zulassung der Berufung gehört wie die der Sprungrevision in den Urteilstenor, wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden hat (SozR 1500 § 161 Nr 16; SozR 1500 § 150 Nr 30). Dennoch hat die Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes den Ausspruch der Zulassung nur in den Entscheidungsgründen als ausreichend angesehen (BSG aaO). In einem solchen Fall muß die Formulierung jedoch eindeutig ergeben, daß nicht eine Wissenserklärung über die Zulässigkeit der Berufung kraft Gesetzes, sondern eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels verlautbart wird. Die Erklärung muß also dahin gehen, daß das SG die an sich unzulässige Berufung durch Zulassung eröffnen wollte (BSGE 4, 261, 263; 13, 220, 223), oder doch wegen Zweifeln an der Zulässigkeit vorsorglich eröffnen wollte. Vorliegend enthält das SG-Urteil auch nach der Darstellung der Beklagten lediglich die Feststellung, daß Berufungsausschlußgründe nach §§ 144 ff SGG nicht vorliegen. Auf der Grundlage dieser Auffassung bestand für das Gericht von vornherein kein Anlaß, die Berufung durch Zulassung zu eröffnen. Der in den Entscheidungsgründen anschließende Satz: "Gegen dieses Urteil findet die Berufung statt, § 143 SGG", ist in diesem Zusammenhang eine bloße Wissenserklärung, die keine Entscheidung nach § 150 Nr 1 SGG enthält.

Zum Beschwerdevorbringen, das LSG hätte prüfen müssen, ob die im Urteil des SG ausgesprochene Aufhebung der dort bezeichneten Bescheide begründet war, ergibt der vorgetragene Sachverhalt keinen Fehler im Verfahren des LSG, der von der Beklagten gerügt werden könnte. Die Klägerin hatte vor dem SG beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 25. Juli 1985 und vom 16. Dezember 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin auch nach dem 23. März 1981 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Im Bescheid vom 25. Juli 1985 hatte die Beklagte ihre Bewilligung von Alg ab 24. März 1981 aufgehoben. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hatte die Beklagte im Bescheid vom 16. Dezember 1985 ihren Bescheid vom 25. Juli 1985 dahin abgeändert, daß Verfügbarkeit ab dem 24. März 1981 nicht mehr vorgelegen habe. Das SG hat die Bescheide aufgehoben und die beantragte Feststellung getroffen, nach den Entscheidungsgründen in der Annahme, daß auch der Leistungsanspruch in Streit stehe.

Das LSG hat nach entsprechender Erklärung der Klägerin im Berufungsverfahren angenommen, daß ein Leistungsanspruch nicht geltend gemacht worden sei, und hat das Klagebegehren als Leistungsklage mit dem Ziel ausgelegt, die Beklagte zur Meldung eines Ausfallzeit-Tatbestandes (§ 36 Abs 1 Nr 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) an die Beigeladene (BfA) gemäß § 13 Abs 2 Satz 1 Nr 2 der Zweiten Datenerfassungs-Verordnung (2. DEVO) zu verpflichten. Dabei hat das LSG ersichtlich auch die Verurteilung der Beklagten durch das SG im Sinne des so ausgelegten Klageantrags verstanden. Danach sind die Bescheide der Beklagten nur insoweit aufgehoben, als sie auch eine Meldung der Ausfallzeit an den Rentenversicherungsträger ausschließen.

Bleibt ein Rechtsmittel erfolglos, so bestimmt sich die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung in ihrem Umfang vorrangig nach der Rechtsmittelentscheidung. Soweit sich der Umfang des Klagebegehrens und einer diesem entsprechenden Verurteilung erst aus den Entscheidungsgründen ergibt, werden die Entscheidungsgründe der Rechtsmittelentscheidung maßgebend. Es bedurfte daher auch im vorliegenden Fall keiner Neufassung der Urteilsformel. Die Besorgnis der Beklagten, ihre Verurteilung durch das SG sei weiterhin nach Maßgabe der Entscheidungsgründe des SG-Urteils auf die gerichtliche Feststellung der Verfügbarkeit und die Aufhebung der Bescheide gerichtet, ist daher ebenso unbegründet wie die darauf aufbauende Rüge, das LSG habe auch insoweit über ihre Verurteilung entscheiden müssen. Im übrigen wäre durch die einschränkende Auslegung des Klagebegehrens und der Verurteilung der Beklagten nicht diese, sondern allein die Klägerin beschwert.

Die Beklagte rügt ferner zu Unrecht, die Verwerfung der Berufung sei jedenfalls deshalb verfahrensfehlerhaft, weil die Berufung kraft Gesetzes statthaft gewesen sei. Auch bei Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens greift der Berufungsausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ein. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen.

Die nach dem Umfang der vom SG ausgesprochenen Verurteilung der Beklagten im Berufungsverfahren von Anfang an allein streitige Meldung einer Ausfallzeit wegen Arbeitslosigkeit (§ 36 Abs 1 Nr 3 AVG) an die Beigeladene gemäß Satz 1 AVG iVm § 13 Abs 2 Satz 1 Nr 2 2. DEVO ist eine Leistung iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG. Mit "Leistungen" sind alle Sozialleistungen des Staates an den einzelnen Bürger gemeint (BSG SozR 1500 § 144 Nr 30; Peters/Sautter/ Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 144 Anm 1.b; Hennig/Danckwerts/König, Sozialgerichtsgesetz, § 144 Anm 3). Der im Schrifttum vertretenen Auffassung, es seien darunter nur Sach- bzw Geldleistungen zu verstehen (Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 144 Anm 5, 6; Zeihe, Soziale Gesetzgebung und Praxis - SGG, § 144 Anm 3, 4.a; vom BSG noch offengelassen in BSGE 42, 212, 214) ist das BSG nicht gefolgt (BSG SozR 1500 § 144 Nr 30, Nr 39). Eine derartige Einschränkung findet weder im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze noch in dem Zweck des § 144 Abs 1 SGG, die Gerichte der zweiten Instanz von der Bearbeitung von Bagatellstreitigkeiten zu entlasten (vgl BSG SozR 1500 § 144 Nr 6). Das gilt um so mehr, als in § 11 Satz 1 SGB I auch Dienstleistungen ausdrücklich zu den Sozialleistungen gezählt werden. Dabei sind Dienstleistungen in einem weiten Sinne zu verstehen; der genannten Entlastungsfunktion entspricht es, wenn nicht nur typische soziale Betreuungs- und Hilfsmaßnahmen als (Dienst-)Leistungen iS des § 144 Abs 1 SGG verstanden werden, sondern auch alle behördlichen Handlungen, die den Behörden durch das Sozialrecht auferlegt sind (BSG SozR 1500 § 144 Nr 39). So ist von der Rechtsprechung die Erteilung einer Bestätigung nach § 8 Grunderwerbssteuergesetz (BSG SozR Nr 30 zu § 144 SGG) oder die Feststellung eines einzelnen Tatbestandsmerkmals des Anspruchs auf Beitragserstattung (BSG SozR 1200 § 14 Nr 12) als Leistung angesehen worden.

Dementsprechend ist auch die erstrebte Meldung der Arbeitslosigkeit an die Beigeladene als behördliche Handlung der Beklagten, die im Sozialrecht vorgesehen ist, und damit als Leistung iS des § 144 Abs 1 SGG anzusehen. Dabei ist unschädlich, daß die Maßnahme nicht unmittelbar gegenüber der Klägerin erbracht wird; denn für die Frage der Berufungswürdigkeit ist es unerheblich, ob eine Mitteilung zu späteren Beweiszwecken erst (als "Bescheinigung") dem Bürger oder - abgekürzt - gleich gegenüber der jeweiligen Behörde erfolgt, für die sie letztlich bestimmt ist.

Die begehrte Leistung ist auch eine einmalige iS des § 144 SGG, weil sie sich in einem einzelnen Vorgang erschöpft (BSGE 2, 135, 136). Ausfallzeiten durch Arbeitslosigkeit sind gemäß § 13 Abs 1, Abs 2 Satz 1 Nr 2 2. DEVO innerhalb eines Monats nach bekanntgewordenem Abschluß von der Beklagten zu melden; diese Meldung erfolgt in einem einzigen technischen Vorgang. Daß sich die Ausfallzeit unter Umständen auf einen längeren Zeitraum bezieht, ändert nichts daran, daß nur eine einzelne behördliche Handlung vorgenommen wird. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, auf welche zukünftigen (Rentenanrechnungs-)Zeiträume sich die Meldung auswirkt. Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, entfaltet die Meldung der Arbeitslosigkeit allein noch keine Rechtswirkungen, sondern dient nur dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Ausfallzeit weiterzuleiten, die dann aber eigenverantwortlich von der Beigeladenen getroffen wird. Dabei ist die Beigeladene entsprechend § 14 Abs 3 Satz 1 und Abs 7 2. DEVO nicht an den Inhalt der Meldungen der Beklagten gebunden. Die erstrebte Meldung ist daher nicht wie ein rechtlicher Feststellungsakt zu beurteilen, der ohne weiteres Rechtswirkungen in der Zukunft hat, die den zeitlichen Rahmen des § 144 Abs 1 SGG überschreiten und daher die Statthaftigkeit der Berufung begründen können (BSG SozR 1500 § 144 Nr 5 für den Fall der Arbeitserlaubnis). Die Meldung einer Ausfallzeit durch die BA unterscheidet sich insoweit von der Vormerkung dieser Ausfallzeit durch den Rentenversicherungsträger.

Die Beschwerde war daher in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661581

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