Rz. 3

Zweifelhaft ist, ob die Berichtigungsmöglichkeit sich ausschließlich auf solche tatsächlichen Feststellungen bezieht, denen verstärkte Beweiskraft gemäß § 314 ZPO zukommt. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall. Danach unterliege der Tatbestand nur der Berichtigung, soweit ihm eine urkundliche Beweiskraft nach § 314 ZPO zukomme (vgl. BGH, Urteil v. 14.7.1994, IX ZR 193/93, NJW 1993 S. 2031, 2032; BGH, Beschluss v. 9.11.1994, IV ZR 294/93; BGH, Beschluss v. 3.11.1998, VI ZR 205/97; vgl. auch BayObLG, MDR 1989 S. 650; OLG Köln, MDR 1988 S. 870; Vollkommer, in: Zöller, § 320 Rn. 1 und 4; Musielak, in: MüKo, § 320 Rn. 4). Diese besondere Beweiskraft habe der Tatbestand nach § 314 ZPO aber nur für das mündliche Parteivorbringen. Durch § 320 ZPO solle verhindert werden, dass unrichtig wiedergegebener Parteivortrag infolge der Beweiskraft zur fehlerhaften Entscheidungsgrundlage des Rechtsmittelgerichts wird (vgl. Vollkommer, in: Zöller, a. a. O. Rn. 1). Dies treffe für das bloße Prozessgeschehen nicht zu. Für dieses entfalte der Tatbestand lediglich die Wirkung einer öffentlichen Urkunde gemäß § 418 ZPO, deren Unrichtigkeit durch jedes Beweismittel nachgewiesen werden könne (vgl. BGH, Urteil v. 14.7.1994, IX ZR 193/93, NJW 1993 S. 2031, 2032).

 

Rz. 4

Nach anderer Ansicht soll § 320 ZPO nicht nur die Richtigstellung des unrichtig beurkundeten Parteivorbringens (§ 314 ZPO), sondern auch des sonstigen Prozessstoffes ermöglichen (vgl. Stein/Jonas/Leipold, § 320 Rn. 1 m. w. N.). Die Beweiskraft nach § 418 ZPO soll danach genügen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 320 Rn. 1). Das BVerwG betont etwa, dass der Tatbestand nicht nur nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefere, sondern gemäß § 418 ZPO auch vollen Beweis für die darin bezeugten eigenen Wahrnehmungen oder Handlungen des Gerichts erbringe (vgl. BVerwG, NVwZ 1985 S. 337, 338). Diese Auffassung vertreten für den Verwaltungsprozess etwa Kopp/Schenke (§ 119 Rn. 2) und Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 119 Rn. 1). Wegen des im Verwaltungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatzes gingen die tatsächlichen Feststellungen über die von § 314 ZPO mit besonderer Beweiskraft ausgestatteten Wiedergabe des Beteiligtenvorbringens hinaus; ihnen komme insgesamt Beurkundungsfunktion zu. Damit die Tatbestandsberichtigung ihren Zweck erfüllen könne, müsse der Tatbestand ohne die aus § 314 ZPO hergeleitete Beschränkung berichtigungsfähig sei (vgl. Clausing, a. a. O.; vgl. auch Kilian, in: Sodan/Ziekow, § 119 Rn. 12). Für das SGG entspricht es dagegen zutreffender h. M., dass eine Berichtigung nur begehrt werden kann, soweit dem Tatbestand urkundliche Beweiskraft gemäß § 314 ZPO zukommt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 139 Rn. 2 m. w. N.; Zeihe, § 139 Rn. 4; Binder/Bolay/Castendiek/Bolay, § 139 Rn. 3; Pawlak, in: Hennig, § 139 Rn. 10; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, § 139 Rn. 4; LSG Bremen, SozSich 1987 S. 223; LSG Saarland, Beschluss v. 15.6.2005, L 6 AL 12/04; LSG NRW, Beschluss v. 24.3.2010, L 16 KR 41/09,auch zur Frage von Ablehnungsgesuchen im Rahmen des Verfahrens wegen Tatbestandberichtigung). Dies hat insbesondere Auswirkungen für die Frage der Anwendbarkeit des § 139 auf Urteile ohne mündliche Verhandlung, Gerichtsbescheide und Revisionsurteile (vgl. dazu Rn. 5, 6).

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