1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Akteneinsicht, auf die § 120 Abs. 1 grundsätzlich einen Anspruch gewährt, dient der Vorbereitung eines effektiven, sachangemessenen Vortrags und damit der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG. Durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) ist dem § 120 Abs. 2 ein Satz 3 (heute in erweiterter Fassung: Satz 6) beigefügt worden, mit dem eine Klarstellung der Kostenfrage bei Aktenversendung erreicht worden ist (vgl. hierzu auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.9.1998, L 2 AL Ko 5/98, NZS 1999 S. 208).

Das Justizkommunikationsgesetz v. 22.3.2005 (BGBl. I S. 837) hat dann zu einer deutlichen Erweiterung des Abs. 2 geführt, indem es Regelungen zum Umgang mit elektronisch geführten Akten eingeführt hat.

Im zweitinstanzlichen Verfahren kann die Aufgabe, Akteneinsicht zu gewähren, gemäß § 155 Abs. 1 vom Senatsvorsitzenden einem Berufsrichter des Senats übertragen werden.

2 Rechtspraxis

2.1 § 120 Abs. 1 und 2

 

Rz. 2

Das Recht auf Akteneinsicht steht sämtlichen Beteiligten i. S. d. § 69 zu, also auch den Beigeladenen. Mit dem Abschluss des Verfahrens endet die Beteiligtenstellung und somit grundsätzlich das Recht nach § 120 Abs. 1. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Kläger nach rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens die Akteneinsicht zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens begehrt (LSG BW, Urteil v. 22.12.1983, L 9 X 148/83, juris).

Das Einsichtnahmerecht besteht auch für den – etwa anwaltlich – vertretenen Beteiligten. Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass sein Prozessbevollmächtigter die Möglichkeit zur Akteneinsichtnahme habe. Die gegenteilige Auffassung verkennt bereits, dass der selbst Akteneinsicht begehrende Beteiligte, der sich nicht auf diese Möglichkeit verweisen lassen will, im Zweifel dadurch konkludent die Bevollmächtigung zur Akteneinsichtnahme widerruft und damit den Weg für ein eigenständiges Einsichtnahmerecht freimacht.

 

Rz. 3

Ein Einsichtnahmerecht für andere Personen besteht nicht. § 299 Abs. 2 ZPO ist nicht über § 202 anwendbar. § 120 regelt die Akteneinsicht vielmehr abschließend.

Wenig praxisrelevant ist die Frage, ob außenstehende Personen eine Möglichkeit zur Einsichtnahme haben, wenn sämtliche Beteiligte einverstanden sind. Den Beteiligten ist es anheim gestellt, die Betreffenden mit den ausgetauschten Schriftsätzen und etwaigen sonstigen Unterlagen bekannt zu machen. Es besteht kein Anlass, das Gericht und seinen Verwaltungsapparat hierfür in Anspruch zu nehmen.

 

Rz. 4

Der "Soweit"-Satz des § 120 Abs. 1 verdeutlicht, dass das Einsichtsrecht nach der Grundvorstellung des Gesetzgebers für die Akte der übersendenden Behörde gilt, meist die Verwaltungsakte des beklagten Sozialleistungsträgers. Der Anspruch geht jedoch weit darüber hinaus. Er betrifft nicht nur die Akten der verfahrensbeteiligten Behörde(n), sondern insbesondere auch die Gerichtsakte selbst und mit ihr sämtliche vom Gericht beigezogene Unterlagen. Vielfach wird das Gericht nach Eingang solcher Unterlagen, etwa Akten früherer Verfahren eines der Beteiligten, zu dem Ergebnis kommen, dass der Inhalt jener Akte nicht entscheidungserheblich sein kann, und die Beiziehung rückgängig machen. Mit dieser Entscheidung entfällt dann auch das Recht auf Einsicht in diese Unterlagen.

 

Rz. 4a

Zu den Akten gehören grundsätzlich alle das Verfahren betreffende Unterlagen, soweit sie nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 120 Abs. 4 fallen. Ein Beteiligter ist bei der Beibringung seines Akteneinsichtsgesuchs nicht gehalten, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihm alle das Verfahren betreffende und etwa getrennt aufbewahrten Schriftstücke vorgelegt werden, sondern er darf davon ausgehen, dass bei einer uneingeschränkt beantragten und gewährten Akteneinsicht die Akten vollständig vorgelegt werden und weitere Unterlagen nicht vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil v. 20.11.2003, B 13 RJ 41/03 R, BSGE 91 S. 283).

Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich nicht auf Rechtsvorschriften, Dienstanweisungen und Gerichtsentscheidungen (LSG Sachsen, Beschluss v. 25.11.2009, L 3 AS 348/09 B-ER, juris).

 

Rz. 5

Das Einsichtsrecht hinsichtlich der Akten einer Behörde gilt nach § 120 Abs. 1 nur, soweit die übersendende Behörde nicht von ihrer Ausschließungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dies darf sie jedoch nur in den Fällen des § 119. Die übersendende Behörde hat bei Bedenken also zuvor eine Entscheidung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde einzuholen.

Letztlich wird das Gericht durch die seitens der Behörde erklärte Beschränkung oder den Ausschluss der Akteneinsicht grundsätzlich gebunden (BSG, Urteil v. 15.11.2007, B 3 KR 13/07 R, SozR 4 – 1500 § 120 Nr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.3.2011, L 18 AS 2267/10 B, juris). Da nach § 128 Abs. 2 SGG das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, bestehen auch keine durchgreifenden Schwierigkeiten im Hinblick auf die nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 bestehende Pflicht des Gerichts, sämtlichen Beteiligten rec...

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