Rz. 44

Soweit der Versicherte die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 nicht erfüllt, d. h. in den letzten 5 Jahren vor dem Versicherungsfall nicht über Pflichtbeiträge in einem Umfang von 36 Kalendermonaten verfügt, ist zu prüfen, ob nicht diese Voraussetzung aufgrund der in Abs. 4 genannten Verlängerungstatbestände (sog. Aufschubzeiten) dennoch erfüllt ist. Die hier aufgeführten Zeiten führen ebenso wie die in der Vorschrift des § 241 Abs. 1 erwähnten Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 1.1.1992 zu einer Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums in die Vergangenheit, in dem dann 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen müssen.

Abs. 4 Nr. 1: Anrechnungszeiten liegen dann vor, wenn alle Voraussetzungen des § 58 erfüllt sind. Insbesondere setzt die Anrechnungszeit als rentenrechtliche Zeit voraus, dass durch die in § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 3a genannten Zeiten (Anrechnungszeiten-Tatbestände) eine versicherte Beschäftigung oder eine versicherte selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder versicherter Zivildienst unterbrochen worden ist (vgl. Komm. zu § 58). Der Begriff der Unterbrechung setzt nach der Rechtsprechung jedoch nicht zwingend voraus, dass die Anrechnungszeit von einer versicherten Beschäftigung oder gleichgestellten Tatbeständen umrahmt wird. Eine Unterbrechung i. S. d. § 58 Abs. 2 erfordert lediglich, dass vor dem Anrechnungszeiten-Tatbestand eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde und dass die Fortsetzung/(erneute) Aufnahme einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit in absehbarer Zeit in Aussicht stand und – insbesondere unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherten – möglich war (BSG, SozR 2200 § 1259 RVO Nr. 60).

 
Praxis-Beispiel

Ein Versicherter ist während der letzten 10 Jahre bis zum 31.12.2006 einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht anschließend bis zum 31.12.2007 Arbeitslosengeld. Arbeitslosengeld II wird ihm nicht gewährt, weil das anzurechnende Einkommen seiner Ehefrau zu hoch ist. Nach 3 Jahren der Arbeitslosigkeit geht er vom 1.1.bis zum 31.12.2011 erneut einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und ist ab dem 1.1.2012 voll erwerbsgemindert.

Dieser Versicherte hat in den letzten 5 Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung am 1.1.2012, also in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2011 (= 5 Jahre) nur während der Jahre 2007 durch den Bezug von Arbeitslosengeld (§ 3 Nr. 3) und durch die Ausübung der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit während des Jahres 2011 (§ 1 Abs. 1 Nr. 1) und damit nur 2 Jahre Pflichtbeitragszeit zurückgelegt. Da die Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2010 (= 3 Jahre) als Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 den 5-Jahres-Zeitraum in die Vergangenheit hinein verlängert, ist zu prüfen ob in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2011 (also in dem um 3 Jahre verlängerten 5-Jahres-Zeitraum, der ursprünglich den Zeitrahmen vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2011 umfasste) 3 Jahre Pflichtbeitragszeit enthalten sind. Dies ist aufgrund der versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2006 (= 2 Jahre Pflichtbeitragszeit), der Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld während des Jahres 2007 (= 1 Jahr Pflichtbeitragszeit) und der erneuten versicherungspflichtigen Beschäftigung während des Jahres 2011 (= 1 Jahr Pflichtbeitragszeit) jedoch ohne weiteres der Fall.

Ist der Versicherte endgültig z. B. aufgrund voller Erwerbsminderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, kommt die Anerkennung einer Anrechnungszeit jedoch nicht in Betracht. Anrechnungszeiten-Tatbestände (z. B. Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vor Erhalt einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), die gleichwohl keine Anrechnungszeiten i. S. d. § 58 sind, weil sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrechen, kommen als Verlängerungstatbestand dann nur nach Abs. 4 Nr. 3 in Betracht.

Abs. 4 Nr. 1: Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit: Gemeint sind die in § 33 Abs. 3 genannten Renten. Andere Renten stehen diesen Renten nicht gleich. Ausländische Renten stehen nur gleich, wenn über- oder zwischenstaatliche Vereinbarungen dies vorschreiben (BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 46, 48). Da nach dem Wortlaut des Gesetzes der Bezug einer Rente gefordert ist, reicht die bloße Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ohne Antragstellung nicht aus. Andererseits ist unschädlich, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen Anrechnung von Einkommen (§§ 93ff.) oder wegen gleichzeitigem Anspruch auf eine andere Rentenart (§ 89 Abs. 1) nicht zu leisten war (vgl. Niesel, in: KassKomm., SGB VI, § 43 Rz. 32, 133).

Abs. 4 Nr. 2: Berücksichtigungszeit ist zunächst gemäß § 57 die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnun...

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