Rz. 31

Dem Begriff "Entsenden" bzw "Entsendung" ist immanent die Bewegung von einem Ort zum anderen. Deshalb erfordert eine Entsendung i. S. d. § 4 Abs. 1 begrifflich, dass sich der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort in der Bundesrepublik Deutschland auf Weisung des Arbeitgebers in einen anderen Staat begibt. Grundsätzlich muss also der Arbeitnehmer bereits in der Bundesrepublik Deutschland (für seinen entsendenden Arbeitgeber) gearbeitet haben (BSG, Urteil v. 27.5.1986, 2 RU 12/85, SozR 2100 § 4 Nr. 3, Wietek, a. a. O., § 4 Rz. 10). Ob eine "Entsendung" auch dann vorliegen kann, wenn eine Person mit Wohnsitz im Inland von einem inländischen Unternehmen eingestellt wird und seine Tätigkeit im Ausland aufnimmt, ohne vorher irgendwelche Tätigkeit im Inland ausgeübt zu haben, ist umstritten (vgl. Seewald, a. a. O., § 4 Rz. 10; Wietek, a. a. O., § 4 Rz. 12). Das BSG geht von Folgendem aus: Hat vor der Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland ein inländisches Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden, kann begrifflich keine Entsendung und damit keine Ausstrahlung vorliegen (vgl. BSG, Urteil v. 27.5.1986, SozR 2100 § 4 Nr. 3, und BSG, Urteil v. 14.1.1987, 10 RKg 20/85, SozR 5870 § 1 Nr. 11 zu § 1 Nr. 2a BKGG a. F.), denn eine solche Weiterbeschäftigung ist nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 unverzichtbare Voraussetzung für den Bestand des Versicherungsschutzes. Anderenfalls würden nicht oder nicht überwiegend im Inland Beschäftigte bei einer gleichzeitig nicht zu vertretenden Belastung der inländischen Sozialversicherung begünstigt, was aber mit dem Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 – Durchbrechung des Territorialprinzips – nicht vereinbar wäre (vgl. BSG, Urteil v. 10.8.1999, B 2 U 30/98 R, SozR 3-2400 § 4 Nr. 5 m. w. N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.10.2001, L 16 KR 157/00). Wer daher zum Zwecke der Entsendung in das Ausland eingestellt wird, unterliegt während der Beschäftigung im Ausland auch bei beabsichtigter Rückkehr an den deutschen Wohnsitz nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn für die Zeit nach Beendigung der Entsendung eine Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber im Inland nicht gewährleistet ist (BSG, Urteil v. 10.8.1999, B 2 U 30/98 R, SozR 2-2400 § 4 Nr. 5).Dem Tatbestand der Entsendung soll allerdings nicht entgegenstehen, dass das Beschäftigungsverhältnis allein im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt begründet worden ist, sofern es in einem solchen Fall angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale bei einem Inlandsbeschäftigungsverhältnis verbleibt; der Arbeitnehmer kann als in das Ausland entsandt angesehen werden (vgl. BSG, Urteil v. 27.5.1986, 2 RU 12/85,SozR 2100 § 4 Nr. 3).

 

Rz. 32

Schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 folgt unmissverständlich, dass Anknüpfungspunkt der Ausstrahlung das Beschäftigungsverhältnis und nicht eine Tätigkeit im Inland sein muss. Dies wird zwar regelhaft zusammentreffen. Notwendig ist dies angesichts des Wortlautes von § 4 Abs. 1 jedoch nicht. Ausreichend ist es hiernach, wenn die "Bewegung in das Ausland" auf der Grundlage eines im Inland begründeten Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Eine Entsendung liegt demnach nicht vor, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer in seinem ausländischen Wohnstaat von einem Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Tätigkeit in seinem Wohnstaat oder einem anderen ausländischen Staat angeworben und dort auch tätig wird (BSG, Urteil v. 25.2.1986, 8 RU 16/75, SozR 2200 § 625 Nr. 3). An der erforderlichen Bewegung in das Ausland fehlt es dann, wenn der Arbeitnehmer die Beschäftigung gewöhnlich in zwei oder mehreren Staaten ausübt. Nicht ausreichend ist es auch, wenn die betreffende Person lediglich in das Inland gekommen ist, um notwendige Formalien ihres Beschäftigungsverhältnisses in Ordnung zu bringen (BSG, Urteil v. 30.7.1981, 10/8b RKg 12/80, SozR 5870 § 1 Nr. 9). Nimmt allerdings ein Deutscher nach langjährigem Auslandsaufenthalt seinen Wohnsitz in Deutschland und wird dann unmittelbar wieder von einem deutschen Unternehmen im Ausland beschäftigt, ist eine Entsendung aus einem inländischen Beschäftigungsverhältnis anzunehmen (BSG, Urteil v. 25.8.1994, 2 RU 14/93, USK 9466).

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