2.1 Anspruch des Arbeitgebers auf Einbehalt des Arbeitnehmeranteils

 

Rz. 3

Der Arbeitgeber hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen (vgl. § 28e). Schuldner der Beiträge zur Sozialversicherung ist nach dem Urteil des BGH v. 16.5.2000, VI ZR 90/99, ausschließlich der Arbeitgeber. Der einzelne Arbeitnehmer hat für den Beitrag selbst dann nicht aufzukommen, wenn sein Arbeitgeber die Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt. Dies gilt insbesondere nach der Ergänzung des § 28e Abs. 1 um Satz 2, denn der vom Arbeitnehmer zu tragende Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht. Dieser Teil steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Das Lohnabzugsverfahren ermöglicht dem Arbeitgeber lediglich, vom Arbeitnehmer den auf diesen entfallenden Teil der Sozialversicherungsbeiträge wiederzuerlangen.

Das "Tragen der Beiträge" ist nach dem Urteil des BSG v. 19.12.1991 (12 RK 42/91) dahin gehend zu verstehen, dass auf die rechtliche Verpflichtung und nicht das tatsächliche Zahlen der Beiträge abzustellen ist.

Diese Vorschrift gibt daher dem Arbeitgeber einen Anspruch gegen den Beschäftigten auf den von ihm zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Im Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Arbeitsentgelt liegt nach dem Urteil des BSG v. 25.10.1990 (12 RK 27/89, Die Beiträge 1991 S. 314) zugleich konkludent die Aufrechnung des Arbeitgebers mit einer eigenen Forderung auf die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hat einen Anspruch darauf, dass der Arbeitnehmer den Abzug der Arbeitnehmeranteile duldet.

Welchen Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages der Beschäftigte zu tragen hat, ergibt sich aus den für den jeweiligen Versicherungszweig geltenden Gesetzen.

Der Arbeitgeber hat z. B. nach § 20 Abs. 3 bei Auszubildenden auch den auf den Beschäftigten entfallenden Teil für alle Versicherungszweige zu übernehmen, wenn das Arbeitsentgelt 325,00 EUR nicht übersteigt (zur Überschreitung dieser Grenze durch Einmalzahlungen vgl. BSG, Urteil v. 23.7.2014, B 12 P 1/12 R). Zu beachten ist, dass auf Ausbildungsverhältnisse die Bestimmungen zur Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung keine Anwendung finden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB III, im Bereich der Rentenversicherung ergibt sich dies seit dem 1.1.2013 unmittelbar aus der Streichung der entgeltgeringfügigen Beschäftigungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 in § 5 Abs. 2 SGB VI). Außerdem hat ein Arbeitgeber in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen (z. B. für Personen, die ein freiwilliges soziales Jahr leisten, für behinderte Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen, Entwicklungshelfer und für von den Firmen ins Ausland Entsandte) die Beiträge teilweise allein aufzubringen.

Im Normalfall ist der Arbeitnehmeranteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags bei der jeweiligen Lohn- und Gehaltszahlung vom Lohn oder Gehalt einzubehalten (Satz 1). Ordnungswidrig handelt, wer gegen die Vorschrift des § 111 Abs. 2 verstößt.

2.2 Nachholung unterbliebener Abzüge von Arbeitnehmeranteilen

 

Rz. 4

Gemäß der in Satz 3 geregelten Frist der nächsten 3 Lohn- und Gehaltszahlungen muss der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass nach deren Ablauf noch selbst aufzubringende Anteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von seinem Lohn oder Gehalt einbehalten werden, es sei denn, der Abzug ist ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist und dadurch ein Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Lohn oder Gehalt nicht mehr möglich ist.

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn auch Arbeitsentgelt für die Vergangenheit gezahlt wird. Die Nachberechnung von Beiträgen ergibt sich in vielen Fällen dadurch, dass dem Arbeitnehmer durch arbeitsgerichtliches Urteil für die Vergangenheit ein erhöhter Lohn- oder Gehaltsanspruch zugebilligt wird. Auch kann durch einen schlichten Fehler des Arbeitgebers in der Vergangenheit ein zu niedriges Arbeitsentgelt gezahlt worden sein. Dieser Fehler wird durch Nachzahlung des Arbeitsentgelts an den Arbeitnehmer berichtigt. Demgemäß wird die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber bei Nachzahlung von Arbeitsentgelt für abgelaufene Lohn- oder Gehaltszahlungszeiträume – unabhängig davon, wie lange diese zurückliegen – auch berechtigt ist, die auf die Nachzahlung entfallenden Arbeitnehmeranteile der Beiträge vom Arbeitsentgelt zu kürzen. Diese Auffassung ist auch vom BAG mit Urteil v. 15.12.1993 (5 AZR 326/93, Die Beiträge 1994 S. 382) ausdrücklich bestätigt worden.

2.3 Unterbliebene Abzüge ohne Verschulden des Arbeitgebers

 

Rz. 5

Der Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Lohn oder Gehalt ist dem Arbeitgeber später als bei den 3 nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nur dann erlaubt, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Schuldlos ist z. B. ein Arbeitgeber, wenn er von der Krankenkasse eine falsche Auskunft über die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers erhalten hat. Eine schuldlose nachträgliche Entrichtung liegt dagegen nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgebe...

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